Traumjahr für viele Schüler

Reformen im Schulwesen sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Aufgrund der Änderung des Schuljahrbeginns wurden Schüler 1966 gleich zweimal versetzt.

Wittlich/Bernkaste-Kues. (ger) Ostern war eineinhalb Jahrhunderte lang für jeden Schüler und jeden Lehrer in der Region ein bedeutendes Datum, und das unabhängig von der religiösen Intention des Auferstehungsfests. Bei der Besitzergreifung der Rheinlande durch die Preußen im Jahre 1815 wurde auch für das Schulwesen ein geregelter Jahreslauf eingeführt und die Schulpflicht für jedes Kind gesetzlich vorgeschrieben. Die Preußen schafften es, den weit verbreiteten Analphabetismus abzuschaffen. Der markanteste Zeitraum im schulischen Leben waren die Wochen vor und nach Ostern. Denn das Schuljahr begann und endete anderthalb Jahrhunderte zu Ostern. Mit Beginn der Osterferien gab es für jedes Kind vom ersten bis achten Schuljahr in den damaligen Volksschulen und auch in den weiterführenden Schulen die Zeugnisse. Die Schüler der achten Klasse wurden in das Berufsleben entlassen. Nach Ende der Osterferien, meist in der Woche nach Weißen Sonntag, begann ein neues Schuljahr und mit ihm die Einschulung der I-Dötzchen, wie die Erstklässler vielerorts genannt wurden. Dies änderte sich ab Ostern 1967. Der Beginn des Schuljahres wurde auf den 1. August verlegt und die Einführung eines neunten Pflichtschuljahres verfügt. Durch Zwischenschaltung von zwei Kurzschuljahren konnte dies organisatorisch bewältigt werden. Heißt: Das Jahr 1966 war in allen Orten der Region für alle Schüler ein Jahr mit drei Schuljahren. Beispiel: Ein siebenjähriger Junge besuchte bis Ostern 1966 ganz normal das zweite Schuljahr. Vom 19. April bis zum 30. November 1966 absolvierte er das dritte Schuljahr, gewissermaßen im Turbotempo. Vom 1. Dezember 1966 bis Juli 1967 war das vierte Schuljahr angesagt. Seit diesem Zeitpunkt gibt es Zeugnisse und Schulabschlüsse im Sommer. Nur das Abitur erlangen rheinländ-pfälzische Schüler auch im 21. Jahrhundert in aller Regel noch vor Ostern. Pisa lässt grüßen - die heutigen Ideen mit der Verkürzung der Schulzeit an Gymnasien haben die Schüler bereits 1966/67 vorexerziert, ohne bleibenden Schaden davonzutragen.

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