Turm wurde nie mehr aufgebaut

EISENSCHMITT. Rudolf Kremer hat humorvolle, aber auch todbringende Erlebnisse mit der V1 gehabt. Mehrere dieser Vergeltungswaffen stürzten während des Zweiten Weltkrieges in Eisenschmitt ab.

Als Rudolf Kremer aus Eisenschmitt im TV vom 12. November den Bericht über die Buchvorstellung zur V1 las, kramte er spontan in seinen Erinnerungen. Der 73-jährige ehemalige Zimmermann erlebte als Schulkind in unmittelbarer Nähe Humorvolles, aber auch Tragisches mit der V1. Die raketenähnliche unbemannte Vergeltungswaffe, abgeschossen bei Eckfeld, überflog auf ihrem Weg nach England auch das Salmdorf Eisenschmitt.Der kleiner Heribert war verwundert

Rudolf Kremer weiß: "Wenn auch der Anlass ein ernster und Verderben bringender war, so kam es trotzdem während des Krieges zu kleinen Schmunzelgeschichten. Die V1 kam jedes Mal aus südöstlicher Richtung und steuerte unter mächtigem Getöse nach Nordwesten. Alles hielt in der Arbeit inne und wandte den Blick auf dieses unheimliche Gebilde so lange, bis es am Horizont verschwunden war. Der kleine Heribert, er war etwa sechs Jahre alt, war verwundert. Er hatte bisher nur von der V1 gehört und lief zu seiner Mutter mit den Worten: ‚Mama, ich habe die Frau 1 gesehen. Vorne hat sie den Propeller verloren. Hinten hat sie Feuer im Arsch." 1943 brachte die V1 Unglück über das Dorf, für einen seiner Spielkameraden gar den Tod. Heinrich Thiesen, ein damals etwa elfjähriger Junge, spielte zusammen mit etlichen Kindern neugierig an der Stelle, an der nördlich von Eisenschmitt eine V1 abgestürzt war. Rudolf Kremer: "Wir wollten schauen, ob was Brauchbares an der Rakete zu finden ist. Als wir bei der abgestürzten V1 standen, überkam uns Angst, die Rakete könne explodieren. Alle Kinder gingen heim. Nur Hein blieb. Kaum waren wir 50 Meter weg, gab es einen fürchterlichen Knall. Wir drehten uns um und sahen: Hein lag kohlenschwarz am Boden, mausetot." Ein schreckliches Erlebnis für Rudolf Kremer und seine Mitschüler ebenso wie für das Dorf Eisenschmitt. Kurze Zeit vorher war bereits eine V1 in Eisenschmitt im Park beim Schloss Bergfeld abgestürzt. Sie riss den Turm des Schlösschens mit sich, die Steine flogen weit umher. "Wir Kinder wollten hinrennen, aber ein Soldat schrie uns an, wir sollten gefälligst weg bleiben. Dem haben wir Frechheiten gemacht. Aber er wurde wütend und schoss in die Luft, um uns zu vertreiben. Schleunigst nahmen wir reißaus, was auch gut war. Der Tod von unserem Kumpel Hein kurze Zeit später machte uns die Lebensgefahr mehr als deutlich."Wrack lag im Park des Schlosses Bergfeld

Das in Eisenschmitt abgestürzte Wrack lag im Park des Schlosses Bergfeld. Es wurde von Soldaten abgeschleppt und weg transportiert. Der von der V1 eingerissene Schlossturm wurde nicht mehr wieder aufgebaut. Dennoch wagten es einige Zeitgenossen, abgestürzte Raketen zu demontieren, um Metallteile oder Kupferdrähte zu bekommen. Einer dieser "V1-Jäger" war ein junger Mann aus Bleckhausen, der mit seinem Fahrrad durch die Gegend zu den abgestürzten Waffen fuhr. "Wir nannten ihn den V1-Doktor, weil der zu jedem Absturzplatz der Rakete mit seinem Fahrrad unterwegs war," erinnert sich Rudi Kremer. Alle Zeitzeugen können ihre Erlebnisse an Weihnachten 1944 auf maximal einer Din-A-4-Seite bis zum 5. Dezember schicken an: Trierischer Volksfreund, Stichwort: ‚Weihnachten 1944‘, Postfach 3770, 54227 Trier. E-Mail: mosel@volksfreund.de, Telefon 0651/7199-489 oder -470.

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