"Unrecht muss als Unrecht benannt werden"

SPRINGIERSBACH. (gkl) Einen brisanten Teil der aktuellen Weltpolitik beleuchtete eine Lesung im Kloster Springiersbach. Raid Sabbah, in Deutschland geborener Palästinenser, berichtete über einen Selbstmordattentäter aus Palästina. Deutliche Meinungsäußerungen prägten die anschließende Diskussion.

 Großes Interesse fand bei den Besuchern des Klosters Springiersbach das Buch "Der Tod ist ein Geschenk" von Raid Sabbah (rechts).Foto: Gerhard W. Kluth

Großes Interesse fand bei den Besuchern des Klosters Springiersbach das Buch "Der Tod ist ein Geschenk" von Raid Sabbah (rechts).Foto: Gerhard W. Kluth

Pater Rainer Fielenbach, Prior des Karmeliterklosters Springiersbach, ist kein bequemer Mensch. So viel Güte er bei Begegnungen auch ausstrahlen mag, es gibt Themen, bei denen ist er unnachgiebig, legt den Finger in die Wunde, kann einfach nicht schweigen. Ein solches Thema ist die Situation der Palästinenser in dem Gebiet, dass gemeinhin das heilige Land genannt wird. Schon vor einigen Monaten veranstaltete Fielenbach einen Vortragsabend in Springiersbach, bei dem er über seine Reise nach Bethlehem und in das palästinensische Flüchtlingslager Jenin berichtete. Dass er mit seinem Anliegen nicht auf taube Ohren stößt, zeigte der Zulauf, als er jetzt wieder zu einem Informationsabend eingeladen hatte. Der Raum konnte den Andrang der Interessierten kaum fassen, etliche Stühle mussten noch herangeschafft werden, damit jeder Besucher einen Sitzplatz finden konnte. Als Gast konnte der rührige Pater diesmal Raid Sabbah, einen in Deutschland geborenen und lebenden Palästinenser begrüßen, der aus seinem Buch "Der Tod ist ein Geschenk" vorlesen sollte. Sabbah stößt mit seinem Buch in ein Gebiet vor, das für den westeuropäischen Normalbürger kaum nachvollziehbar, kaum verstehbar ist. Zentrale Figur des Buches ist Said, ein 29-jähriger Palästinenser, der sich bereit erklärt hat, als Selbstmordattentäter aktiv zu werden. Knapp eine Woche lang haben sich Sabbah und Said jeden Abend getroffen und Said erzählte seine Lebensgeschichte, seinen Werdegang und die Gründe, warum er sich dazu entschlossen hat, sein Leben für die Sache der Palästinenser einzusetzen. Natürlich konnte das, was Sabbah im Kloster vorlas, nur ein grober Ausschnitt aus seinem Buch sein, eine Essenz, bei der etliche Aspekte, die das Buch bereithält, nicht zum Tragen kommen konnten. Trotzdem herrschte im Vortragsraum teilweise betretenes, ungläubiges und auch ohnmächtiges Schweigen.Attentate niemals rechtfertigen

Es muss mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Sabbah macht nicht im geringsten den Versuch, in irgendeiner Weise Selbstmordattentate zu rechtfertigen oder sie zu entschuldigen. Sein Anliegen ist es, ein wenig Licht in die Seite des Kampfes um Palästina zu bringen, die für die meisten von uns im Dunkeln liegt. Er will aufzeigen, dass es keinen Palästinenser gibt, der sich einfach nur so einige Kilogramm TNT um den Bauch schnallt und diese dann an einer belebten Straße zündet. Sabbahs Antriebsfeder ist eine Friedensmission. Er sagt selber: "Wenn Gewalt beendet werden soll, müssen wir begreifen, was Gewalt auslöst. Dazu möchte ich mit meinem Buch beitragen." Er beschränkt sich dabei nicht auf die Lebensgeschichte von Said, sondern erweitert den Inhalt des Bandes um geschichtlich belegte Fakten, mit denen er aufzeigt, warum Said so wurde, wie er war. Sabbah möchte, dass seine Leser beide Seiten des seit Jahrzehnten bestehenden Konfliktes zur Kenntnis nehmen und nicht nur die Partei, die über die bessere Medienmaschinerie verfügt. In Deutschland ist jedes Thema, das sich mit Juden befasst, natürlich von großer Brisanz, dass mit viel Fingerspitzengefühl behandelt werden muss. Auch hier war an keiner Stelle etwas davon zu spüren, dass jemand das Morden rechtfertigen wollte. Unrecht aber, das kristallisierte sich bald aus den Beiträgen heraus, muss als Unrecht auch benannt werden, egal, von welcher Seite es begangen wird. Das Buch "Der Tod ist ein Geschenk" ist im Droemer Verlag München unter der ISBN 3-426-27297-0 als Taschenbuch erschienen. 253 Seiten kosten 19,90 Euro.

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