Unterschätzte Gefahr aus dem Wald

WITTLICH. Das späte Frühjahr lässt die Rehe springen: Die Polizei Wittlich rät deshalb unbedingt, die Warnschilder "Wildwechsel" zu beachten. Insgesamt 427 000 Euro Sachschaden sind vergangenes Jahr bei 415 Wildunfällen im Gebiet der Polizei Wittlich entstanden.

 Warnschild ignoriert und aufs Gas getreten: Wer zu schnell fährt, riskiert im Frühjahr an Wildwechsel-Stellen nicht nur ein totes Reh, sondern möglicherweise auch sein eigenes Leben. Foto: gms

Warnschild ignoriert und aufs Gas getreten: Wer zu schnell fährt, riskiert im Frühjahr an Wildwechsel-Stellen nicht nur ein totes Reh, sondern möglicherweise auch sein eigenes Leben. Foto: gms

Die Zahl der Wildunfälle im Bereich der Polizei Wittlich steigt seit Jahren: von 306 (2002) über 392 (2003) und 395 (2004) auf 415 im vergangenen Jahr. Wildunfälle machen damit inzwischen ein Viertel aller Verkehrsunfälle aus (1562 im Jahr 2005; der TV berichtete). Besonders vorsichtig sollten Autofahrer bei Dunkelheit sein. Mit 298 haben sich Dreiviertel der Wildunfälle bei Nacht ereignet (66 in der Dämmerung, nur 51 bei Tageslicht). "In lauwarmen Vollmondnächten registrieren wir besonders viele Wildunfälle", sagt Jürgen Riemann, Stellvertretender Dienststellenleiter der Polizei Wittlich. Darunter fallen solche Streckenabschnitte, an denen es mindestens fünf Verkehrsunfälle gleicher Art in einem Jahr gegeben hat. Wildunfälle häufen sich im Bereich der Polizei Wittlich vor allem an der L 141 vor der Abfahrt zur L 43 Richtung DREIS, der L 47 bei OSANN-MONZEL, dem Waldstück auf der B 49 zwischen WITTLICH-NEUERBURG und BAUSENDORF und dem Waldstück auf der L 55 zwischen BOMBOGEN und ÜRZIG vor der Bahnüberführung. An diesen Stellen stehen auch Warnschilder "Vorsicht Wildwechsel", die Autofahrer unbedingt beachten sollten. Denn neben Blechschäden kann es auch für die Insassen gefährlich werden. Nach Angaben des Vereins Europäischer Tier- und Naturschutz (ETN) hat ein Reh bei einer Fahrtgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern ein Aufprallgewicht von einer Tonne. "Bei diesen Geschwindigkeiten sind Schäden für den Menschen nicht mehr kalkulierbar", erklärt Riemann. Autofahrer sollten deshalb ihr Tempo drosseln. Denn selbst bei 70 Stundenkilometern hat ein Rehbock noch ein Aufprallgewicht von 850 Kilo. Zudem sollten Fahrer an Wildwechsel-Stellen Ausschau nach Tieren am Straßenrand halten, bremsbereit sein und das Fahrtlicht abblenden. Zudem rät die Polizei: "Es ist immer mit mehreren Tieren zu rechnen, die entweder regungslos stehen bleiben oder blindlings auf die Lichtquelle zurennen." Auch kann es sein, dass ein Tier nach Überqueren der Straße möglicherweise noch mal zurückkommt. CDs blenden Fahrer, statt Wild abzuschrecken

"Vor allem Rehe verhalten sich oft panikartig und huschen plötzlich über die Straße", sagt Riemann. Zum einen liegt das daran, dass Rehe wegen ihres eingeschränkten Sehvermögens Fahrzeuge, die schneller als 70 Stundenkilometer fahren, nicht mehr wahrnehmen. Zum anderen werden die einjährigen Böcke im Frühjahr von ihren älteren männlichen Artgenossen vertrieben. "Da die Tiere von Artgenossen verjagt werden, treten sie für Autofahrer so plötzlich und überraschend in Erscheinung", erklärt Kreisjagdmeister Günter Vanck. Neben diesen "Einstands-Kämpfen", bei denen die Rehböcke ihre einige Hektar großen Reviere verteidigen, geht auch das Rotwild im Frühjahr auf Wanderung, um geeignete Orte für die Geburt der Kälber zu finden. "Da die aber nicht auf der Flucht sind, treten sie für die Autofahrer nicht ganz so überraschend auf", sagt Vanck. Hinzu komme, dass im Frühjahr Getreide auf den Feldern steht. Sobald die Äcker Nahrung und Deckung bieten, lassen sich dort häufiger Wildtiere blicken und überqueren dann mal eben die Straße, um von einem Feld zum nächsten zu kommen. CDs, wie sie etwa an der Unfallhäufungsstelle bei Ürzig hängen, sind in ihrem Nutzen fragwürdig. Die Wittlicher Polizisten berichten von einem Versuch der Polizeidirektion Landau. Ergebnis: Die reflektierenden Metallscheiben blenden vor allem andere Fahrer. Die Straßenmeisterei Landau berichtete sogar von Unfällen wegen der CDs. Auch Kreisjagdmeister Vanck hält die Silberlinge für keinen hinreichenden Schutz: "Wirksam wäre dies nur bei Tieren, die schon am Straßenrand stehen - vorausgesetzt, das Licht reflektiert entsprechend. Der sicherste Schutz ist, das Tempo zu drosseln."

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