Urteil mit Mahnfunktion

SIMMERN. Ein waghalsiges Überholmanöver auf der B 50 hatte einen 19-Jährigen das Leben gekostet - nun musste sich der Verursacher vor Gericht verantworten. Er wurde zu einer Geldstrafe von 3375 Euro verurteilt.

Welche Strafe ist "gerecht", wann ist eine Schuld wirklich gesühnt? Mit diesen Fragen müssen sich immer wieder die Vertreter Justitias auseinandersetzen. Jetzt beschäftigte ein Verkehrsunfall mit Todesfolge auf der B 50 den Richter am Simmerner Amtsgericht. Vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässige Tötung und Körperverletzung, Unfallflucht - das alles legte die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach einem 27-jährigen Studenten aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich zur Last. Der junge Mann war in den Abendstunden des 16. April auf der B 50 in Richtung Trier unterwegs. Aus einer Fahrzeugkolonne setzte er bei Büchenbeuren zum Überholen von drei vor ihm fahrenden Wagen an - das sollte einen 19-Jährigen das Leben kosten.Zwei weitere Menschen schwer verletzt

Der Student der Elektrotechnik, der kurz vor seinem Diplom steht, kam zwar mit seinem Ford Sierra an den drei Fahrzeugen vorbei - allerdings erst im letzten Moment und so eng, dass er das an der Spitze fahrende Fahrzeug schnitt und dabei zum abrupten Abbremsen brachte. Ein entgegenkommender 19-Jähriger zog mit seinem Wagen scharf nach rechts, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern. Dabei verlor er die Kontrolle über sein Auto und fuhr in die Fahrzeugkolonne auf der anderen Fahrbahnseite hinein. Der 19-Jährige aus einem kleinen Hunsrückdorf erlag später den Verletzungen, sein Beifahrer und eine weitere Person wurden schwer verletzt. Der eigentliche Unfallverursacher, der 27-jährige Student aus Bernkastel-Wittlich, setzte seine Fahrt fort. Dank der Geistesgegenwart eines anderen Verkehrsteilnehmers, der ihn verfolgte und die Polizei verständigte, konnte er später ermittelt werden. Das waghalsige Überholmanöver fand jetzt ein Nachspiel vor dem Strafrichter am Simmerner Amtsgericht. "Ihnen kam es ganz allein auf die schnelle Fahrweise an", wandte sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft, Amtsanwalt Josef Dahm, an den Angeklagten: "Sie haben keine Rücksicht auf Leib und Leben der anderen Verkehrsteilnehmer genommen." Auf Vorschlag von Strafrichter Peter Hüttemann kam es zum so genannten Rechtsgespräch zwischen den Beteiligten aller Parteien - darunter auch zwei juristischen Vertretern von Nebenklägern. Ergebnis: Wenn sich der Angeklagte uneingeschränkt zu seiner Schuld bekennt, wäre eine Geldstrafe möglich. Darauf konnten sich Staatsanwaltschaft, Richter, Verteidiger sowie die Nebenklagevertreter einigen. Für den 27-jährigen Studenten eine günstige Vereinbarung - hatte doch sein Verteidiger ganz offen bekannt: "Ich hatte eigentlich mit einer Freiheitsstrafe auf Bewährung gerechnet." Strafmildernd wirkten sich für den angehenden Elektro-Ingenieur die "Jungfräulichkeit" seines Verkehrszentral- und Vorstrafenregisters, aber auch sein umfassendes Geständnis aus. Ins Gewicht fiel auch die protokollierte Aussage eines Beifahrers des Verstorbenen, der angab, der 19-Jährige sei zuvor mit "180 bis 200 Stundenkilometern" über die B 50 gerast. "Ohne zynisch klingen zu wollen: Wäre das Opfer langsamer gefahren, dann wäre es auch kaum zu dem Unfall gekommen", betonte der Verteidiger. "Es bringt keinen Toten mehr zurück, wenn wir hier jetzt ein hartes Urteil aussprechen", befand auch Amtsanwalt Dahm, ein gewisses Mitverschulden des Getöteten sei nicht auszuschließen. Die Nebenklagevertreter verwiesen unterdessen auf eine "Mahnfunktion" des Urteils für andere Verkehrsteilnehmer. Der Student aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich wurde schließlich zu einer Geldstrafe von 135 Tagessätzen von je 25 Euro (3375 Euro) verurteilt. Außerdem erhält er seinen bisher schon eingezogenen Führerschein frühestens in fünf Monaten zurück. "Was passiert ist, lässt sich leider nicht mehr rückgängig machen", erklärte Richter Peter Hüttemann, "aber kein Autofahrer kann sich von einem Augenblicksversagen frei sprechen. Jeder hat wohl schon einmal eine Situation erlebt, wo man dachte: Das ist aber nochmal gut gegangen." Das Urteil ist rechtskräftig. Die Nebenkläger haben noch die Möglichkeit, ihre Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in einem Zivilverfahren geltend zu machen.

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