Viel Arbeit, fraglicher Nutzen

BERNKASTEL-WITTLICH. Eins hat das neue Grundsicherungsgesetz bislang mit Sicherheit gebracht: einen hohen Verwaltungsaufwand. Ob die ursprünglichen Ziele mit dem Gesetz erreicht wurden, bleibt fraglich.

Die Diskrepanz ist gewaltig: Mit 662 Hilfeempfängern nach dem neuen Gesetzes zur Grundsicherung (siehe Hintergrund) hat die Kreisverwaltung in diesem Jahr gerechnet. 1700 Anträge sind bislang allerdings für diese Leistung eingegangen. Doch nicht eine plötzlich ausgebrochene Armut macht Günther Thomas, Leiter des Fachbereichs Soziales bei der Kreisverwaltung, für diese Diskrepanz verantwortlich. Er kritisiert die Informationspolitik zu dem neuen Gesetz, mit dem die so genannte "verschämte Altersarmut" bekämpft werden soll, also Menschen erreicht werden sollen, die bislang den Weg zum Sozialamt scheuten.Keiner weiß, ob Zielgruppe erreicht wird

Thomas: "Die Rentenversicherungsträger haben vielen Senioren mitgeteilt, dass sie eventuell Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben und einen entsprechenden Antrag stellen sollen." Doch oft stelle sich schon nach einfacher Prüfung heraus, dass den Antragstellern die Grundsicherung nicht zustünde. So sei ein häufiger Fehler, dass die Antragsteller nicht alle ihre Einkommen (beispielsweise vom Ehepartner oder von einer zweiten Anstellung) addierten. Sie würden von mehreren Rentenversicherungsträgern angeschrieben und dächten dann, dass sie auf jeden Fall ein Anrecht auf Grundsicherung hätten. Wie viele der 1700 Anträge letztlich genehmigt werden, kann Thomas noch nicht abschätzen. Obwohl die Kreisverwaltung auch selbst per Veröffentlichungen und Hotline über die Grundsicherung informierte, wurde sie von dem Ansturm überrannt. Und trotz des verstärkten Einsatzes von Mitarbeitern konnte sie erst 925 Anträge bearbeiten. Zu den 662 Grundsicherungsberechtigten, mit denen die Verwaltung in diesem Jahr gerechnet hat, gehören 280 ehemalige Sozialhilfeempfänger, 322 Personen mit Behinderung oder in Pflegeeinrichtungen sowie 60 "verschämte Arme". Ob die letzt genannte Zahl realistisch geschätzt ist und ob diese Zielgruppe überhaupt erreicht wird, kann niemand beurteilen. Klar ist jedoch, dass die Grenzen für die Grundsicherung eng sind. So hat beispielsweise derjenige, der für seine eigene Beerdigung 3000 Euro zurückgelegt hat, weil er niemand damit belasten will, schon die Vermögensfreigrenze überschritten. Auch der Verkehrswert eines Autos und der Rückkaufswert einer Lebensversicherung werden als Vermögen angerechnet. Von sozialen Einrichtungen kommt Kritik. Anne Hees-Conrad von der Caritas weist darauf hin, dass diejenigen, die aufgrund des Alters von der Sozialhilfe in die Grundsicherung wechseln müssen, durch den Wegfall der Beihilfen für Kleider, Heizungskosten und anderes eventuell schlechter da stehen als vorher. Auch dass nicht die tatsächlichen Mieten, sondern lediglich Richtwerte berechnet würden, moniert sie. Brigitte Heintel vom AWO-Betreuungsverein Morbach, der Ratsuchende beim Thema Grundsicherung unterstützt, hat die Erfahrung gemacht, dass ältere Menschen mit dem Ausfüllen der Formulare oft überfordert sind. Weitere Infos bei der Kreisverwaltung: Telefon: 06571/14375 (Dunja Grabar) oder 14-235 (Birgit Hansen, Irmgard Kasper).

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