Viele Kinder, keine Bleibe

BERNKASTEL-WITTLICH. Würden Sie einer ausländischen Familie mit acht Kindern eine Wohnung vermieten? Zwei Wittlicherinnen kennen die Vorurteile, mit denen eine solche Familie häufig zu kämpfen hat. Sie wollen ihr helfen, eine neue Wohnung zu finden.

Rosemarie Metz ist eine ältere Dame aus Lüxem. Früher hat sie beim Jugendamt gearbeitet, und vor ein paar Jahren wurde sie gefragt, ob sie nicht einen Fahrdienst übernehmen könne. Sie sagte "Ja". Es ging um eine damals elfköpfige kurdische Familie. Eine Tochter war an Krebs erkrankt. Damit die Familie sie in Kliniken wie Trier oder Bad Homburg besuchen konnte, wurden Freiwillige für Fahrgemeinschaften gesucht. "Von Bernkastel-Kues bis zum Brüderkrankenhaus ohne Auto, da braucht man für einen Weg schon drei Stunden", sagt Rosemarie Metz. Das an Knochenkrebs erkrankte Mädchen ist im vergangenen Jahr mit 17 Jahren gestorben. Der Kontakt der Lüxemerin zur kinderreichen Familie ist geblieben. Seit sieben Jahren lebt die Familie in Deutschland - ganz offiziell. Sie bezieht keine Sozialhilfe und bezahlt ihre Miete. Auf diese Tatsachen legt die Lüxemerin wert. Der in seiner Heimat politisch verfolgte Vater hat als Reinigungskraft gearbeitet und betreibt seit einem Jahr ein Geschäft. Die älteste Tochter, die die mittlere Reife nachmacht, hat bis vor kurzen durch Kellnern zum Unterhalt beigetragen und außerdem geholfen, die kranke Schwester zu pflegen. Die Mutter ist Analphabetin. Die Kinder gehen alle zur Schule, die beiden jüngsten in den Kindergarten. "Sie wohnen in einer feuchten Vier-Zimmer-Wohnung mit 100 Quadratmetern in ärmlichen Verhältnissen - ohne Heizung. Nicht alle Kinder haben ein Bett, sondern schlafen auf Matratzen", sagt Rosemarie Metz. "Das Schlimmste ist, dass alles feucht und schimmelig ist, obwohl die Familie sehr ordentlich ist. Das Haus hatte einen schweren Hochwasserschaden. Bis vor kurzem stand noch Wasser im Keller." Rosemarie Metz hat irgendwann Marion Gruber-Willmann aus Wengerohr von der Familie erzählt. Nach einem Besuch sagt sie: "Ich war erstaunt, dass jemand in der heutigen Zeit unter diesen Umständen leben muss. Das kann man gar nicht glauben. Da muss man nicht in andere Länder gehen, um zu sehen, wo Kinder unter schlechten Bedingungen aufwachsen müssen." Rosemarie Metz erklärt: "Die sind so sozial wie nur irgendwas. Ich staune immer, wie ordentlich und sauber es dort ist. Das ist eine Familie, bei der man Vorurteile gegenüber Muslimen ablegen muss. Die sind total liberal, außergewöhnlich lieb und hilfsbereit." Die Lüxemer Witwe ist mittlerweile die "Wahl-Oma" der acht Kinder. Sie sagt: "Wir sind doch ein aussterbendes Volk. Was wollen wir denn mit unserer Alterspyramide? Diese Kinder kommen später für unsere Altersabsicherung auf." Der Vermieter will das Haus mit der Wohnung verkaufen. Marion Gruber-Willmann sagt: "Eigentlich ist die Wohnung durch die Feuchtigkeit nicht vermietbar. Wir finden das menschenunwürdig. Die Leute werden ausgenutzt, aber der Mann hat nicht die Kraft, sich zu wehren. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn das ein Mieterverein sehen würde." Schon lange sucht die Familie eine neue Bleibe. "Aber dann heißt es: erstens Ausländer und zweitens so viele Kinder", sagt die Wengerohrerin. Auf die Frage, was sie Menschen antworten würde, die den Kinderreichtum trotz Armut kritisieren, sagt sie pragmatisch: "Die Kinder sind nun mal da, und die können nichts dafür. Das Wichtigste wäre vor dem Winter eine Wohnung, die man ganz normal heizen kann, weil man ja auch ganz normal Miete bezahlt, und in der jeder sein Bett aufstellen kann - wie eine normale Familie." Wegen der Arbeit des Vaters und der Schule der Kinder wäre eine größere Wohnung in oder nahe Bernkastel-Kues ideal. Die Familie kann bis zu 500 Euro Kaltmiete bezahlen. Auch wäre es schön, wenn sich jemand fände, der der Mutter, die Deutsch spricht, lesen und schreiben beibringen könnte. Kontakt: Rosemarie Metz, Telefon 06571/5523 und Marion Gruber-Willmann, 06571/3954.

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