Vom Kalb zum Kälbchen

WITTLICH. Lesen, schreiben, rechnen: Neben diesen Fertigkeiten erwerben die Kinder in der Hausaufgabenbetreuung der Caritas jede Menge soziale Kompetenz. Und haben Freude dabei.

Am Nachmittag erwacht das Leben rund um Anita Ropers, Suse Müller und ihre Mitbetreuer und -betreuerinnen. Um halb drei kommen "ihre" Kinder zurück in die Grundschule Friedrichstraße. Allerdings nicht in ihren üblichen Klassenraum. Nein - sie kommen, um unter gezielter Anleitung ihre Hausaufgaben zu machen. Dabei geht's international zu. Esra hat just am Tag unseres Besuches ihre Anmeldung abgegeben. "Ich hoffe, dass ich jetzt besser werde in der Schule", sagt sie. Mit ihr in die vierte Klasse geht Özge, die schon von Erfolgen berichten kann: "Meine Klassenlehrerin Frau Konrad hat gewollt, dass ich zur Betreuung gehe", erzählt sie. Özge, deren Eltern aus der Türkei stammen, hat sprachliche Probleme. Auch Memets, Boris' und Bekirs Eltern sind aus der Türkei. Egzon hingegen stammt aus Albanien. Die Kinder tun sich alle mehr oder weniger schwer mit der deutschen Sprache. Zu Hause sprechen sie höchstens mal mit den Geschwistern deutsch, ansonsten läuft der gesamte Alltag in der Muttersprache ihrer Eltern ab. An solche Schwierigkeiten ist Anita Ropers, die den Job seit 1980 macht, gewöhnt. "Wir sprechen sehr langsam und betont leise mit den Kindern." Vorne sitzen die kleinsten, dann die größeren, weiter hinten die selbstständigeren Kinder, die auch von der dualen Oberstufe und der Realschule kommen. Dass auch Kinder der weiterführenden Schulen kommen, war nicht geplant, doch bei der von der Caritas geführten Hausaufgabenbetreuung richtet man sich nicht nach Papieren, sondern nach dem, was tatsächlich gebraucht wird. Und wenn allein Erziehenden durch Spät- und Sonderschichten Betreuungs-Engpässe entstehen, entscheiden sich die Mitarbeiter zum Wohl der Kinder. Zumindest, wenn Platz ist. Sind die eigentlichen Hausaufgaben erledigt, widmen sich Müller, Ropers und ihre Kollegen denen, die es besonders nötig haben. "Wenn neue Kinder zu uns kommen, nehmen wir Lernspiele zu Hilfe, um sie erst einmal zum Sprechen zu animieren." Oft müssen sie etliche Kniffe anwenden, um überhaupt herauszufinden, inwieweit Worte wie "Huhn" oder "Kuh" verstanden werden, bevor sie zu "Hühnchen" und "Kälbchen" weitergehen können. Die Gruppen werden jedes Jahr neu zusammen gewürfelt: Verschiedenste Jahrgänge, Geschlechter und Nationalitäten mit ganz unterschiedlicher Vorbildung lernen zusammen. Fehler darf jeder machen, besonders am Anfang. "Veräppeln unterbinde ich", sagt Ropers entschieden. Dadurch gewinnen die Kinder langsam Selbstsicherheit und greifen im Idealfall in die Bücherkiste, die die Schule ähnlich einer Leihbücherei zur Verfügung stellt. Kübra hat inzwischen bereits "Das Zauberpony" gelesen, Eda "Molli Mogel". Die beiden Mädchen sitzen gerne auf dem Schoß ihrer Betreuerin. "Das habe ich auch besonders gern an dieser Arbeit", sagt diese und lächelt die Kinder an. Schulstoff und soziale Kompetenz

Außer in der Grundschule Friedrichstraße betreibt die Caritas die Hausaufgabenbetreuung auch in den Grundschulen Jahnplatz, Bombogen und Landscheid. Angefangen hat das Ganze vor inzwischen 24 Jahren. "Das dezentrale, wohnortnahe Konzept hat sich bewährt", so Geschäftsführer Hermann Barth. Eineinhalb Stunden Betreuung pro Tag für einen monatlichen Elternbeitrag von zehn beziehungsweise neun Euro - verschwindend gering, wenn man sich die üblichen Stundensätze für Nachhilfe betrachtet. Aber schließlich will die Caritas nicht reich werden, sondern praktische Unterstützung leisten. "Grundsätzlich dürfen alle Kinder von Grundschulen kommen", erläutert Barth. Besonders angesprochen fühlen sollten sich Kinder von berufstätigen Eltern und Schüler, denen das Erledigen der Hausaufgaben in der Gruppe mehr Spaß macht als alleine. Auch Kinder, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben (ob In- oder Ausländer) und Schüler ohne geeigneten Arbeitsplatz für das Erledigen der Aufgaben können sich anmelden. Barth betont, dass nicht nur Kompetenz in schulischen Fächern erworben wird. Durch das Arbeiten in einer Gruppe lernen die Kinder ganz von alleine Rücksichtnahme auf Schwächere, Fairness und Teamwork. Barth verspricht: "Wir werden unser Angebot auch dann aufrecht erhalten, wenn einmal die Ganztagsschule Wirklichkeit sein wird." Die Gesamtkosten werden für das Jahr 2003 werden mit 21 128 Euro beziffert. 800 Euro werden aus Elternbeiträgen finanziert. Den Rest tragen Caritas, Landkreis und Stadt Wittlich (Friedrichstraße, Jahnplatz, Bombogen) beziehungsweise VG Wittlich-Land (Landscheid) zu jeweils einem Drittel. Infos bei der Caritas, Telefon 06571/9155-10.

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