Von Wilderern und Hexen

WITTLICH. Über 500 Jahre Geschichte von Unrecht und Recht informiert eine Wanderausstellung im Foyer der Kreisverwaltung. Wie relativ diese beiden Größen im Wandel der Gesamtgesellschaft sind, ist auf großen Tafeln anschaulich dokumentiert.

Andere Zeiten, andere Urteile, aber es gibt auch Konstanten. DerMord aus Habgier gehört beispielsweise zu den wenigen Delikten,die zu allen Zeiten geächtet worden sind. Darauf wiesStaatssekretärin Stefanie Weber-Lejeune bei der Eröffnung derAusstellung "Unrecht und Recht - Kriminalität und Gesellschaft imWandel von 1500 bis 2000" hin. Ansonsten sind die Begriffeverhältnismäßig wandelbar. Selbst die Anwendung von Folter, derenabsolute Ablehnung als Vernehmungsmethode von staatlicher Seitezu den Grundfesten einer Demokratie gehört, wird immer wieder zurDiskussion gestellt, wie aktuell in der Presse nach dem Mord amentführten Jungen Jakob von Metzler aus Frankfurt zu lesen war.Schon die Androhung von Folter stehe nicht im Einklang mit derdeutschen Verfassung, führte die Juristin Weber-Lejeune aus,denn: "Es gibt weder ein bisschen Todesstrafe noch ein bisschenFolter." Was sich in der Welt der Straftaten in den letzten 500Jahren auf deutschem Boden getan hat, dokumentiert die vielbeachtete Wanderausstellung, die zuvor in Trier und SpeyerStation machte, auf über 30 Tafeln. "Hier werden erstmalsStraftat und Strafverfolgung nicht voneinander getrennt, sonderngemeinsam betrachtet", erläuterte Landrätin Beate Läsch-Weber inihrer Ansprache. Die beiden Sichtweisen sind die Betrachtung "vonoben", also aus der Sicht der jeweils Bestrafenden, und dieBetrachtung "von unten", also aus der Perspektive des Täters. Diebeiden Sichtweisen sind durch einen dunklen beziehungsweisehellen (Täterperspektive) Hintergrund gekennzeichnet. Viel Raum für Alltagskriminalität

Der Ausstellung mangelt es nicht an regionalen Bezügen. Der Hunsrücker Schinderhannes, der Ende des 18. Jahrhunderts sein Unwesen trieb, ist ebenso vertreten wie kriminelle Straftaten im Zusammenhang mit Wein: verwässern, verschneiden, zusetzen von Blei, Arsen, Asche und Glykol. Unvergessen der Sturm auf das Bernkasteler Finanzamt von 1926, als das Mobiliar auf die Straße flog und die Beamten verprügelt wurden. Absurde Hexenverbrennungen fanden in der Eifel-, Mosel-, Hunsrückregion beschämend lange statt. Läsch-Weber: "Viele Dörfer beteiligten sich mittels eigener Ausschüsse direkt an der Verfolgung." Breiten Raum nimmt die Alltagskriminalität im Wandel der Zeit ein. Wildern, Schwarzmarkthandel, Schmuggel, Lebensmitteldiebstahl: Taten, die immer im Zusammenhang mit großer wirtschaftlicher Not standen. Natürlich boten die genutzten Archive auch Material für politische Straftaten, ein besonders relatives Delikt. Lesemappen und eine Videostation bieten gezielte Hintergrundinformationen. Bei der Ergänzung um einige regionale Bezüge hatte Claudia Schmitt aus dem Kreisarchiv aktiv zugearbeitet. Ellen Höfer und Walter Friehs vom Ensemble "Tourdion" rundeten die Eröffnung mit passendem Liedgut ab.

Ein wissenschaftlicher Begleit- und ein Katalogband ist in der Kreisverwaltung zu haben.

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