Vor dem Vergessen bewahren

WITTLICH. Zweieinhalb Jahre hat er an einer Chronik über die Wittlicher Kolpingsfamilie gearbeitet. Nun ist sie im Druck und dokumentiert eindrucksvoll den starken Einfluss der Vereinigung auf das gesellschaftliche Leben. Am Freitag, 1. Juli, stellt er seine Arbeit im Kolpinghaus vor.

Es ist Kolpings Jahr in Wittlich: Vor 150 Jahren wurde die Familie gegründet, vor 130 Jahren das Haus gebaut, und pünktlich wurde nun die Chronik fertig, für die Willi Waxweiler zweieinhalb Jahre unermüdlich recherchiert hat. Er war in Köln und in Mainz. Im hiesigen Kreisarchiv hat er sämtliche Zeitungen von 1855 bis 1980 durchgeblättert, ob sie nun Intelligenz-, Kreis-, Tageblatt oder Volksfreund hießen. Er durfte sich aus den Originalen alles Wichtige für die Kolping-Familienchronik kopieren. Auch Wittlicher Bürger haben ihm geholfen, indem sie ihre Kisten, Kästen und Alben öffneten. Auf Spurensuche in allen Archiven

Da kamen zum Beispiel Fotos zum Vorschein vom 100. Geburtstag der Kolpingsfamilie, als Himmel und Menschen beim Festumzug in der Säubrennerstadt waren und das Ereignis, wie schon beim 75. Jubiläum, die Titelseite der Zeitung einnahm. Damals war der hohe Stellenwert der Kolpingarbeit innerhalb der Bürgerschaft noch unbestritten. Für Insider wie Waxweiler ist das bis heute so. Und die Recherchen geben dem Pensionisten Recht, der, wie seine Gattin verrät, aus dieser selbst gesetzten Aufgabe einen echten Job gemacht hat. Noch zu Lebzeiten von Adolph Kolping wurde 1855 im damals nur 2900 Einwohner zählenden Wittlich der katholische Gesellenverein gegründet - nur neun Jahre nach dem ersten in Wuppertal-Elberfeld. "Hinter dieses Geheimnis bin ich noch nicht gekommen", gesteht Waxweiler. Ein zweites Geheimnis bleibt: Wo die Gründungsurkunde die Nazizeit überdauert hat, in der der Verein verboten war und das Haus "eingezogen" wurde. 1946 sorgte Bürgermeister Mehs dafür, dass es rasch zurück kam in die Hände der Kolpingsfamilie, die die Kriegsschäden professionell beseitigten - schließlich handelte es sich um einen Zusammenschluss von Handwerkern. Der Zustrom neuer Mitglieder in diesen ersten Nachkriegsjahren war gigantisch. Allein 1948 traten 45 Männer in die Wittlicher Kolpingsfamilie ein. Ab diesem Jahr lebte das Theaterspiel auch wieder auf, mit dessen Hilfe der Verein sich finanziell über Wasser gehalten hatte. 1859 kündigt ein von Waxweiler ausgegrabenes Dokument eine "Theatralische Aufführung im Kreissaal" an. "Dann ging ich diesen Kreissaal suchen!", erzählt der Chronist. Fündig wurde er im alten Amtsgericht, das an der Stelle der heutigen Kreissparkasse stand. Dessen großer Saal war das kulturelle Zentrum der Kreisstadt und wurde auch von der Kolpingsfamilie genutzt, bis sie wesentlich später eine eigene Bleibe hatten mit dem Saal im ersten Stockwerk, das wiederum Jahrzehnte später aufgestockt wurde. Im alten Kreissaal waren Sitzplätze Mangelware. "Da ließ das Volk den Ofen ausgehen, um sich darauf zu setzen", las Waxweiler im Archiv. Und so könnte er weiter erzählen, Jahr um Jahr. Sein Blick weitet sich über Kolping hinaus, bezieht Stadt- und Staatsgeschichte mit ein in die 364 Seiten umfassende Chronik. Das Vergangene wollte er vor dem Vergessen bewahren. "Was die Kolpingsfamilie für Wittlich getan hat, sollte bekannt werden und bekannt bleiben", sagt Waxweiler. Am Freitag, 1. Juli, wird er die Chronik im Kolpinghaus persönlich vorstellen. Ab 19 Uhr ist die Sonderausstellung von teilweise noch nie veröffentlichten Dokumenten geöffnet.

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