Wärmender Raum für Schutzsuchende

Der Monat Mai ist der Monat aller Mütter. Auch der der Gottesmutter. Auch wenn die liebenswürdigen und geschmückten Muttergottesaltärchen in den Häusern nicht mehr zu finden sind, so findet sie dennoch große Verehrung in Maiandachten und Prozessionen.

Daun. (am) In der Dauner Pfarrkirche St. Nikolaus wurde im linken Seitenschiff ganz bewusst ein Ort geschaffen, an dem Menschen mit ihren Anliegen sich wohlfühlen. Muttergottesecke wird die Nische genannt, die durch ein kleines farbiges Fensterchen etwas erhellt wird. Wenige Bänke stehen davor, und mehrere brennende Kerzen zeigen, dass sich stets Beter einfinden, die sich dort aufgehoben fühlen. Jahrzehnte stand in diesem anheimelnden Winkel die bekannte Gemündener Madonna, bis diese endlich auf das stete Drängen der Gemündener wieder in ihren Heimatort zurückkehrte. Danach hat die Pfarrgemeinde eine Kopie der "Maria mit dem Schutzmantel" erworben, die seitdem dort verehrt wird.Das Original dieser Mariendarstellung wurde um 1480 von Michael Erhart geschaffen und stand ursprünglich in der Liebfrauenkirche Ravensburg. Heute ist sie im staatlichen Museum in Berlin zu bewundern. Sie ist ein wunderschönes Beispiel einer Schutzmantelmadonna, die im Spätmittelalter, nicht zuletzt durch die Verbreitung durch die Dominikaner und die Zisterzienser, ihre Blütezeit erlebte. Groß und schlank steht Maria da, alles überragend. Sie ist mit einem weiten blauen Mantel bekleidet, der bis zum Boden reicht und über den ihr braunes schulterlanges Haare wallt. Sie selbst hält ihn weit vom Körper weg. So schuf sie einen wärmenden Raum, in dem schutzsuchende Menschen Platz finden.Gerade der Mantel hatte stets eine tiefe symbolische Bedeutung. Er schützte vor Wind und Wetter, spendete Wärme und Geborgenheit, diente als Schlafdecke und konnte verhüllen. Bei Königen und Königinnen ist er Zeichen der Herrschaft und Würde. Im mittelalterlichen Rechtsbrauch wurde durch das Bedecken mit dem Mantel Verfolgten rechtlicher Schutz gewährt. Maria öffnet selbst ihren Mantel. Mit dieser Geste bietet sie uns einen Zufluchtsort an, eine Stelle für uns selbst und unsere Anliegen. Sie scheint auch uns "adoptieren" zu wollen. Und wir, die bei ihr Trost und Hilfe suchen, dürfen sie dann getrost Mutter nennen. Der Text eines bekannten Marienliedes drückt dies, wie auch die Sehnsucht nach Schutz und Geborgenheit, aus: "Maria, breit den Mantel aus, mach Schirm und Schild für uns daraus, lass uns darunter sicher stehn, bis alle Stürm vorübergehn. Patronin voller Güte, uns allezeit behüte." Dieser Text stammt aus dem 17. Jahrhundert. Seine Wortwahl und Ausdrucksweise entspricht nicht mehr ganz der heutigen. Aber die Sehnsucht, die dahinter steht, ist dieselbe geblieben. Auch heute suchen Menschen einen Ort, an dem sie sich mit ihren Problemen, mit ihren persönlichen Anliegen aufgehoben fühlen. Das ist nicht nur bei dieser Ravensburger Schutzmantelmadonna in der Nikolauskirche zu erkennen, nicht nur an den brennenden Kerzen in der Wehrbüschkapelle, an den Votivtafeln in Weinfeld, sondern das beweisen all die Beter allüberall in der Welt.

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