Was Winzer für Flora und Fauna tun: Verband stellt 900 000 Euro bereit, um Lebensraum in den Moselsteillagen auszuweiten

Bernkastel-Kues · Die Steillagen an der Mosel bieten Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere. Der soll mit Hilfe der Winzer nicht nur erhalten, sondern ausgeweitet werden. Der TV sprach mit einer Expertin über das Konzept und darüber, wer sich an diesem beteiligen kann.

Was Winzer für Flora und Fauna tun: Verband stellt 900 000 Euro bereit, um Lebensraum in den Moselsteillagen auszuweiten
Foto: (m_mo )

Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau hat im Mai mit der Umsetzung des Projektes "Steillagenweinbau schafft Vielfalt - das Moselprojekt" der Bundesregierung begonnen.
Der Verband wird gemeinsam mit Naturschutzberatern und Steillagenwinzern einzelne Maßnahmen entwickeln und in Kooperation mit örtlichen Naturschutzverbänden, Naturschutzbehörden, der staatlichen Weinbauberatung und den Tourismusorganisationen umsetzen.

Mit dem Projekt soll die Vielfalt an Arten und Lebensräumen in Weinbergsteillagen des Moseltals verbessert werden. Gefördert wird das "Moselprojekt" im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Fördermittel gibt es außerdem von der Landwirtschaftlichen Rentenbank.

Das Weinbaugebiet Mosel ist reich an Steillagen und hat ein besonderes Ökosystem. Allerdings werden, so der Bauern- und Winzerverband, immer häufiger extrem steile Weinberge aufgegeben, da ihre Bewirtschaftung ökonomisch nicht mehr rentabel ist. Übrig bleiben dann verwilderte Flächen, die als Brachen oder Drieschen bezeichnet werden.
Das Moselprojekt soll Winzer ermutigen, diese Flächen weiter zu bewirtschaften, um das Ökosystem vielfältiger und die Landschaft touristisch interessanter zu machen.

Dazu soll ein Leitartenkatalog erstellt werden. Die Pflanzen und Tiere, die im Weinberg leben, vor allem trockenheitsliebende Pflanzen und wärmeliebende Tiere wie seltene Schmetterlinge, Heuschrecken- und Eidechsenarten, die Schlingnatter und die Zippammer, sind auf besonders warme Standorte angewiesen.
Mit dem Projekt soll diesen Pflanzen und Tieren wieder mehr Lebensraum gegeben werden. Das Projekt läuft bis Ende 2020 und hat ein Finanzvolumen von 881 869 Euro.

Diplom-Ingenieurin Anne Buchsbaum (Foto: Privat) vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau betreut das Projekt und erläutert die wichtigsten Fragen zur Maßnahme:

Mit welchen konkreten Maßnahmen kann man Anbauflächen nachhaltig bewirtschaften, welche Beispiele gibt es dafür?
Anne Buchsbaum: Nachhaltigkeit bedeutet, dass man nicht mehr entnimmt, als zugibt. Die Rebflächen sollen durch nachhaltiges Wirtschaften ihre Funktion als Wirtschaftsfläche und Lebensraum für Flora und Fauna behalten. Dazu gehört der sorgsamer Umgang mit dem Boden und den Nützlingen. Auch das Wachsenlassen von Rand- und Saumflächen ist ein Beispiel. Mit dem Moselprojekt sollen diese beiden Maßnahmen gefördert werden. Außerdem sollen zusätzliche Lebens- und Bruträume geschaffen werden für Vögel, Insekten und Reptilien, die ihren Lebensraum im besonderen Kleinklima der Steillagenweinberge haben. Sie tragen dazu bei, die Selbstregulation zu stärken.

Was ist ein Leitartenkatalog?Gibt es Tier- und Pflanzenarten, die bedroht sind, wenn ja, welche sind das?
Buchsbaum: In dem Katalog sollen die in den Steillagenweinbergen vorkommenden wichtigsten Arten vorgestellt werden. Den Winzern wird Fachwissen zum Schutz von Tieren und Pflanzen vermittelt. Damit kann eine intensive Bindung und Identifikation mit dem Ökosystem erreicht werden. Bedroht und unter Schutz stehen bei den Pflanzen die Traubenhyazinthe, die ästige Graslilie, die Karthäusernelke und das Rheinische Fingerkraut: Bei den Reptilien sind es Smaragdeidechse, Mauereidechse und Schlingnatter, bei den Vögeln die Zippammer. An der Untermosel kommen der einzigartige Mosel-Apollofalter und der Orionfalter vor.

Wer kann sich beteiligen?
Buchsbaum: Winzer, die ihre Weingerte in Steil- und Steilstlagen der Mittel- und Untermosel haben. Außerdem Winzer, aber auch Gemeinden, die daran interessiert sind, gemeinsam mit dem Bauernverband ein neues Konzept für die Pflege (Offenhaltung) von brach gefallenen Flächen zu entwickeln.

Wie unterhält beispielsweise ein Winzer Unterstützung, welche Formalitäten muss er erfüllen?
Buchsbaum: Viele Formalitäten hat der Bauernverband schon erledigt, deshalb ist die Beantragung für Betriebe weniger bürokratisch. Interessenten müssen sich beim Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau oder beim Weinbauverband Mosel melden und eine oder mehrere Flächen zur Verfügung stellen. Einige Bedingungen müssen erfüllt werden, zum Beispiel die eingeschränkte Nutzung chemischer Pflanzenschutzmittel und der Verzicht auf mineralische Düngemittel. Beteiligte Winzer bekommen eine Entschädigung für Materialkosten und Aufwand.

Wie werden sich die Weinberge verändern, wenn die Maßnahme greift?
Buchsbaum: Steillagen-Weinberge, Rand- und Restflächen werden nicht nur grüner, sondern auch bunter werden. Der Lebensraum für standorttypische Pflanzen und Tiere wird wachsen.

Gibt es auch Auswirkungen auf die Qualität des Weins?
Buchsbaum: Ein Plus an Lebensraum für Tier- und Pflanzenvielfalt ist an sich schon ein zusätzliches Qualitätsmerkmal für den so kultivierten Steillagenwein. Es steckt sozusagen mehr Weinberg in der Flasche. Durch höhere Selbstregulierungskräfte hat die Weinpflanze außerdem weniger Stress. Ob das eine wahrnehmbar bessere Qualität mit sich bringt, ist nicht vorhersehbar.

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