Weg mit dem Kirchturmdenken

Intensiv und teilweise leidenschaftlich hat der Verbandsgemeinderat über die gemeinsame touristische Organisation von Stadt und Verbandsgemeinde diskutiert. Ein Streitpunkt ist die Besetzung des Beirats.

Lösnich/Bernkastel-Kues. Der Verbandsgemeinderat Bernkastel-Kues hat den Weg für eine touristische Neuorganisation der Stadt Bernkastel-Kues und der Verbandsgemeinde freigemacht. Nach einer intensiven Diskussion im Lösnicher Bürgerhaus stimmte die große Mehrheit (CDU, FDP, Grüne, Freie Bürgerliste) für die neue Struktur.

Die SPD und die fraktionslose Heide Weidemann votierten mit Nein - nicht weil sie dagegen sind, sondern weil sie eine weitere Sondierung und Gespräche, unter anderem in den Ortsgemeinden, befürworten. Eine Vertagung des Votums lehnte die Mehrheit des Rats aber ab. Die Zeit sei längst reif für diese Entscheidung, hieß es von Seiten der Befürworter einer unverzüglichen Abstimmung. "Wenn wir uns jetzt vertagen, fangen wir an zu wackeln", sagte Gertrud Weydert (Grüne).

Zeltingen-Rachtig wird zum Zankapfel



In der neuen Gesellschaft (Wein- und Ferienregion Bernkastel-Kues GmbH) sollen die touristischen Aktivitäten von Stadt und Verbandsgemeinde gebündelt werden (der TV berichtete). Die Neustrukturierung ist unstrittig. Nach Auffassung der SPD gibt es aber unter anderem Vorbehalte in einigen Ortsgemeinden. Bürgermeister Ulf Hangert wies die Kritik zurück. Alles sei lang und breit vorbereitet worden, auch in den einzelnen Orten der Verbandsgemeinde.

Für einige Ortsbürgermeister gibt es dennoch ein Problem. "Wir tragen es nicht mit, wenn Zeltingen-Rachtig im Beirat der Gesellschaft vertreten ist", sagte der Veldenzer Orts-Chef Norbert Spross. Zeltingen-Rachtig ist die zweitgrößte Gemeinde der VG, weist nach Bernkastel-Kues die meisten Übernachtungen (circa 120 000 pro Jahr) auf und ist als einzige Ortsgemeinde im Beirat vertreten. Dem Beirat, der unter anderem Tourismus-Strategien festlegen soll, werden neun Mitglieder angehören. Namentlich genannt werden der Geschäftsführer, mindestens zwei Vertreter aus der Stadt Bernkastel-Kues und ein Vertreter aus Zeltingen-Rachtig. Dazu kommen weitere Vertreter aus der Verbandsgemeinde.

Und genau um die Besetzung gibt es noch Streit. "Ich werde das Gefühl nicht los, dass es nur gegen Zeltingen-Rachtig geht. Dafür habe ich kein Verständnis", sagte Ortsbürgermeister Manfred Kappes.

Auch der Bernkastel-Kueser Stadtbürgermeister reagierte irritiert. "In 20 Jahren ist nichts passiert. Ihr habt immer nur genörgelt. Fachlich ist nichts gekommen, es geht immer nur ums Geld und um Proporz", sagte Wolfgang Port

"Zeltingen-Rachtig gehört in den Beirat", nahm Reinhard Grasnick (SPD) etwas Schärfe aus der Diskussion. Das Problem sei nur die Benennung der übrigen Beiratsmitglieder. Die sollen vor allem über Fachwissen verfügen, heißt es von den anderen Fraktionen. Solches sei in den Orten der Grafschaft, des Liesertals, in und um Ürzig und im Hunsrück sicher vorhanden.

Mit dem Votum im VG-Rat dürfte die höchste Hürde genommen sein. Am Donnerstag, 26. November, wird sich noch der Stadtrat mit dem Thema beschäftigen.

Meinung

Auf wackligen Füßen

Nur einmal fiel in der Sitzung des Verbandsgemeinderates das Wort "Kirchturmpolitik". Britta Steck (Grüne) nahm es in den Mund. Es schwebte allerdings über der gesamten Diskussion. Stecks Rede war der Höhepunkt der Sitzung: pragmatisch von Anfang bis Ende. Mögliche Vorbehalte und Risiken im Blick, aber trotzdem zuversichtlich in die Zukunft gerichtet. Steck beschwor Zusammenhalt und Gemeinsamkeit und warb für Vertrauen untereinander. Dass sie an das Vertrauen appellieren musste, zeigt, dass das Projekt erst einmal auf wackeligen Füßen stehen wird und dass die Kirchtürme immer noch bestehen. In einigen Orten wird argwöhnisch betrachtet werden, was die neue Gesellschaft auf die Beine stellt und was ihr Ort davon hat. Dabei sollte aber eins klar sein: Jede Organisation, die Aktivitäten von Stadt und Verbandsgemeinde bündelt, ist besser als das jetzige Konstrukt. c.beckmann@volksfreund.de

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