Wein statt Medizin

PIESPORT. Aus der Arbeitslosigkeit heraus kam ein Wahl-Piesporter auf die Idee, in der alten Apotheke eine Vinothek mit Weinstube zu eröffnen.

Schicksalsschläge haben bisweilen auch ihre guten Seiten. Eine Erfahrung, die Ralf Tappeser, seit Pfingsten Inhaber der Piesporter Vinothek "Weinschmecker" völlig unerwartet machen musste. Ohne eigenes Verschulden hatte er plötzlich nach mehr als 20 Jahren als Außendienstler im Verkauf von Baumaschinen keine Arbeit mehr. Für einen Neuanfang in einem anderen Betrieb rechnete sich der heute 49-Jährige keine großen Chancen aus. Die Frage "was macht du nun?" brachte ihn schließlich auf die Idee mit der Vinothek. "Wein hat mich schon immer interessiert", erklärt der gebürtige Kölner. Hinzu kam, dass er vor acht Jahren aus beruflichen Gründen an die Mosel gezogen war, wo er sich bei Verwandten in Piesport schon als kleiner Junge wohl gefühlt hatte. Ein erstes Fühler-Ausstrecken bei seinen Weinbau-Nachbarn in Alt-Piesport, die sein Konzept begrüßten, gab dann den Ausschlag. Fehlte nur noch das passende Domizil. Das fand Tappeser in der vor wenigen Jahren an der Hauptstraße geschlossenen Apotheke. Nachdem er die Hürde des für die gastronomische Nutzung erforderlichen Antrages genommen hatte, konnte aus seiner Idee Wirklichkeit werden. Den Umbau nahm der angehende Gastronom selbst in die Hand.Öffnungszeiten stehen auf der "Notdienst-Tafel"

Mit alten Holzfässern als Theken- oder Tisch-Unterbau sorgte er in der Vinothek für moselländisches Flair. Anders gestaltete er die Weinstube, in der es an ausziehbaren Tischen vom Hausherrn selbst zubereitete kleine Gerichte - vom Frühstück bis zur Pasta oder auch mal Rindersteaks - gibt. Mittels Mobiliar und Bildern richtete er dort eine italienische, eine norddeutsche und eine im Werden begriffene Kölner Ecke ein. Die frühere Nutzung der Räume machen aufmerksame Beobachter an einigen wenigen Details aus. So zum Beispiel beim Studium der Öffnungszeiten von zehn bis 22 Uhr, die der "Notdienst-Tafel" zu entnehmen sind. Und beim Verkosten des Weins fällt von der Theke aus der Blick unweigerlich auf eine Apotheken-Zwischentür aus Glas. Details, die allerdings trotz Tappesers Überzeugung, dass auch Wein Medizin ist, weniger aus nostalgischen Überlegungen denn aus Kostengründen erhalten blieben. Denn die Finanzierung seines "Weinschmeckers", in dem es ausschließlich Weine aus Alt-Piesport zu probieren gibt, darunter auch den der Winzerkapelle "Moselloreley", schulterte Tappeser aus eigener Kraft. Die Erinnerung an die Apotheke ist in den Köpfen seiner Gäste ohnehin nicht auszulöschen. Denn die gehen, wie er weiß, weiterhin "in die alte Apotheke", wenn sie zu ihm kommen. Nach anfänglicher Skepsis, vor allem auf Seiten der Winzer, die Konkurrenz mit Nicht-Piesporter Weinen fürchteten, wird die neue Adresse mittlerweile gut angenommen. Nicht nur Urlauber nutzen die Gelegenheit, Weine verschiedener Preis- und Güte-Klassen auf neutralem Boden kostenlos zu probieren. Der Besuch werde als nicht so verpflichtend empfunden wie in der Probierstube eines Winzers, sagt Tappeser. Die positive Resonanz macht dem Wahl-Piesporter Mut, das bisher gemietete Gebäude vielleicht zu kaufen. "Das soll eine feste Institution werden", verrät er seine Absichten. Und vielleicht werden später auch weitere Weinbaubetriebe - natürlich ausschließlich aus Piesport - bei ihm vertreten sein. Das ist ihm derzeit aber noch zu früh: "Ich möchte erst mal ausprobieren, wie das überhaupt läuft."

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