Wenn Paella auf Schoales trifft

Bernkastel-Kues · Mehr als die Hälfte der jungen Spanier ist arbeitslos. Für einige besteht Hoffnung. 13 Gastronomiebetriebe an der Mittelmosel stehen zur Ausbildung bereit. Die Bundesagentur für Arbeit fördert das Modellprojekt.

Die Zahl ist erschreckend. Im bei Urlaubern beliebten Spanien lag der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen (unter 25 Jahren) im Juni laut einer EU-Statistik bei 53,5 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland waren es 7,8 Prozent. Von daher ist das, was sich im Kreis Bernkastel-Wittlich entwickelt, ein Tropfen auf den heißen Stein. 35 junge Spanier aus der an Portugal angrenzenden Region Extremadura, beginnen im September in 13 Gastronomiebetrieben eine dreijährige Ausbildung. Voraussetzung: Bei einem kurzen Praktikum muss sich zeigen, ob die Chemie stimmt.
Ein wichtiges Element, das wird bei der Begrüßung im Forum der Sparkasse Mittelmosel deutlich, ist natürlich die Sprache. Sie möglichst schnell zu lernen, ist ein großes Ziel. Die jungen Leute haben in den vergangen drei Monaten schon Deutsch gepaukt. Die 22 Jahre alte Jeniffer aus Badajoz, der einzigen Großstadt der Region, kann sich den Medienvertretern schon in der neuen Sprache vorstellen. Den Rest übersetzt Heinz-Peter Eberhard. Er wird als Lehrer an der Berufsbildenden Schule (BBS) in Bernkastel-Kues ein wichtiger Ansprechpartner sein. An zwei Tagen in der Woche werden die Spanier dort unterrichtet. Dazu gehört auch ein intensiver Deutschkurs.
Sie sei sehr glücklich, in Deutschland zu sein, sagt die junge Frau, die in ihrer Heimat eine Maurerlehre absolviert hat. Sie wolle Köchin werden und habe eine Vorliebe für Desserts. Ihre Ausbildung wird sie im "Alten Brauhaus" in Bernkastel-Kues absolvieren. Patron Dieter Kettermann hatte im Vorfeld Interesse für drei Azubis angemeldet und nimmt jetzt sogar vier. Er sagt das, was andere an dem Projekt Beteiligte auch sagen. Der deutsche Markt gebe für die Gastronomie nicht so viel her. Somit werde mit den Spaniern auch eine Lücke im Gastgewerbe zumindest etwas kleiner. Außerdem sei es quasi Pflicht bei solch einer hohen Arbeitslosigkeit zu helfen. "Eine gute Aktion", pflichtet Stefan Krebs (Märchenhotel Bernkastel-Kues) bei. Er bildet einen Spanier aus.
Willi Günther, Leiter der BBS mit angegliederter Hotelfachschule, ist stolz, die Spanier mitausbilden zu dürfen. Zehn Kollegen hätten einen Spanisch-Grundkurs gemacht, um ebenfalls zur Verständigung beitragen zu können. Die jungen Leute werden anfangs alle in einer Klasse unterrichtet. "Dann sehen sie sich jede Woche und können Kontakt halten", betont Günther.
Landrat Gregor Eibes, Gereon Haumann, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes Rheinland-Pfalz, Edeltraud Nikodemus, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Trier und Marcus Kleefisch (Industrie- und Handelskammer Trier) heben den Modellcharakter des Projektes hervor. Ihr Dank gilt auch den teilnehmenden Betrieben. "Ich bin super stolz auf euch", sagt Haumann.
Von der Idee bis zur Ausführung habe es zwei Jahre gedauert, sagt Landrat Eibes. Jetzt, so Gereon Haumann, beginne für die Azubis der Marathon. "Wenn ihr durchhaltet, steht euch die ganze Welt offen", prognostiziert er.
Die Bundesagentur für Arbeit finanziert das Projekt aus einem Sonderprogramm mit 15 000 Euro pro Teilnehmer. Das Geld wird in Deutschkurse, Reise- und Umzugskosten und einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung verwendet.
Man werde sich auch zur gemeinsamen Paella, dem spanischen Nationalgericht, treffen, sagt Gereon Haumann. Vielleicht gibt es dann ja auch mal moselländische Gerichte wie Gräwes und Schoales.Extra

 Jeniffer (22) will Köchin werden. TV-Foto: Clemens Beckmann

Jeniffer (22) will Köchin werden. TV-Foto: Clemens Beckmann

Paella: spanisches Reisgericht mit verschiedenen Fleischsorten, Gemüse und Meeresfrüchten, wird in einer gußeisernen Pfanne zubereitet und serviert. Schoales: geriebene Kartoffeln mit Lauch und Speck vermischt, entweder in der Pfanne gebraten oder im Backofen gegart. Gräwes: typisch moselländisches Gericht, bei dem Sauerkraut mit Kartoffelpüree gemischt wird, dazu kann Pökelfleisch serviert werden. red

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