Wenn alles hoffnungslos erscheint

ZELL. (red) Mehr als 50 Zuhörer lauschten in der Medart-Buchhandlung in Zell dem Vortrag des Psychiaters Dr. Wilhelm Classen. Der Chefarzt der zweiten Psychiatrischen Abteilung am Krankenhaus der Borromäerinnen in Trier gab anschauliche Beispiele depressiven Befindens und Verhaltens, um anschließend moderne Therapieverfahren zu erläutern.

Schwerpunkt der Tätigkeit Classens ist die Sozialpsychiatrie, die sich besonders der Integration des psychisch Kranken in die Gesellschaft widmet. Depressive Erkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen in der Bevölkerung. Nach neueren Studien weisen bis zu zehn Prozent der Erwachsenen innerhalb eines Jahres depressive Episoden auf. Bis zu 17 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland werden mindestens einmal im Leben an einer depressiven Episode erkranken. Der Anteil schwerer depressiver Erkrankungen wird auf etwa 5 Prozent geschätzt. Nach Classen ist depressives Kranksein heute kein unabänderliches Schicksal mehr. Jedes depressive Zustandsbild ist mit Medikamenten (Antidepressiva) und/oder durch Gesprächstherapie behandelbar, was jedoch nicht hundertprozentige Heilung bedeutet. Etwa 15 Prozent der schweren depressiven Erkrankungen gehen in chronische Depressionen über, bei denen der Behandlungsschwerpunkt in der Unterstützung der Familie, der Begleitung des Patienten über eine lange Wegstrecke seines Lebens und in der Umorientierung seines Lebens selbst liegt. Lustlosigkeit, Apathie und Resignation sind als negative Gefühle Möglichkeiten menschlichen Erlebens, jedoch noch nicht als wesentliche Symptome einer depressiven Erkrankung aufzufassen. Auch die Fähigkeit zur Trauer beim Abschiednehmen, zum Beispiel bei Verlust eines nahestehenden Menschen, führt nicht zwangsläufig in eine Depression. Solche Trauer stellt sich auch ein beim Verlust eines Lebenskonzeptes und beim Verlust körperlicher Integrität, zum Beispiel im Rahmen eines Unfalles oder einer schweren Erkrankung. Die Depression als Krankheitsbild zeichnet sich gegenüber der Trauer eher durch die Unfähigkeit aus, überhaupt Gefühle wie Trauer oder Freude empfinden zu können, durch ein fehlendes Reagieren-Können auf Kontakte, Anregungen, Zuwendung und Aufmunterung, durch ein Gefühl der Leere. Typisch ist das "Gefühl der Gefühllosigkeit", die Minderung des seelischen und körperlichen Erlebens und das Erliegen der Kräfte zur Bewältigung alltäglicher Lebensvollzüge.Regelmäßiger Gesprächskontakt

Im Zentrum der therapeutischen Beziehung steht das einfühlsame Gespräch, das stützend und hilfreich ist. Dies erfordert einen regelmäßigen Gesprächskontakt von ausreichender Dauer. Das Gespräch ist durch emotionale Wärme und akzeptierende Wertschätzung des anderen gekennzeichnet, durch ein bedingungsfreies, aktives Zuhören und Nachfragen, durch beruhigende Versicherung, dass Hilfe möglich ist, durch die Vermittlung von Hoffnung und Besserung, durch gezielte Entlastung, zum Beispiel durch befristete Krankschreibung. Suizidalität muss aktiv, offen und ernst angesprochen werden. Die Lebenskontinuität und die tragende Beziehung zur Familie, zu Partnern und zum Therapeuten werden im Gespräch besonders betont. Beim größeren Teil der depressiv Erkrankten lassen sich heute deutliche Symptombesserung bis Symptomfreiheit, Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, zum Beispiel im Haushalt und an der Arbeitsstelle erreichen.

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