Wer mit der Eiljacht reiste, brauchte Zeit

Am 29. April wurde die neue Saison im Mittelmosel-Museum mit einer Ausstellung über die "Mosel-Schifffahrt anno dazumal" eröffnet. Zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland zeigten sich bisher nicht nur äußerst angetan vom Museum mit seinen vielen Kunstschätzen, sondern auch von der interessanten Schau, die auf fast 200 Fotografien und Abbildungen die Entwicklung der Schifffahrt von 1870 bis 1970 dokumentiert.

 Ein halbes Jahr dauerten die Vorarbeiten, bis die Sammler und Heimatforscher Manfred Simon (links) aus Pünderich und Hans Schneiß aus Irmenach fast 200 Fotos und viele andere Dokumente für die Ausstellung im Mittelmosel-Museum „Mosel-Schifffahrt anno dazumal“ zusammengetragen hatten. Bis Mitte September kann sie noch besichtigt werden. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Ein halbes Jahr dauerten die Vorarbeiten, bis die Sammler und Heimatforscher Manfred Simon (links) aus Pünderich und Hans Schneiß aus Irmenach fast 200 Fotos und viele andere Dokumente für die Ausstellung im Mittelmosel-Museum „Mosel-Schifffahrt anno dazumal“ zusammengetragen hatten. Bis Mitte September kann sie noch besichtigt werden. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Traben-Trarbach. Reisepläne, Zeitungsberichte, alte Frachtbücher und nicht zuletzt die vielen Fotos im DIN-A-4-Format liefern reichlich Informationen zur Mosel-Schifffahrt und lassen erahnen, wie langwierig eine Reise einst sein konnte. Die rührigen Sammler und Heimatforscher Hans Schneiß aus Irmenach und Manfred Simon aus Pünderich durchforsteten für diese Ausstellung nicht nur ihre umfangreichen Privatarchive, sondern sie stöberten auch im Landesmedienzentrum Koblenz, dem Stadtarchiv Trier, dem Kreisarchiv Cochem-Zell und im Privatarchiv der Firma Kolb, deren Schiffe seit über 80 Jahren auf dem Fluss verkehren. Ein halbes Jahr brauchten sie, bis sie ihr Konzept entwickelt hatten und die Ausstellung stand. Das Ergebnis ist beachtlich und verspricht viel Kurzweil."Die Mosel war wegen ihres Gefälles früher viel schwieriger zu befahren, als das Mittelstück des Rheins", weiß Manfred Simon. Der Vorsitzende des Modell- und Eisenbahnclubs Traben-Trarbach ist eigentlich Fachmann für Dampfrösser, aber die Dampf-Schifffahrt hat es ihm nicht minder angetan. "Leider konnte ich keinen alten Rettungsring auftreiben", bedauert er, "der hätte noch gut in die Ausstellung gepasst." Vergeblich hatte er das ganze Lager der Firma Kolb in Briedern danach abgesucht.Dafür besitzt Hans Schneiß einen Baedecker aus dem Jahre 1839, in der ein Reiseplan für die Mosel-Schifffahrt abgedruckt ist. Regelmäßig verkehrten damals "Eiljachten" von Trier nach Koblenz in zwei Tagen und von Koblenz nach Trier in drei Tagen. Bei der Talfahrt wurde in Zell übernachtet, bei der Bergfahrt in Senhals und Bernkastel. "Für anständige und billige Bewirthung auf den Schiffen ist bestens gesorgt. Eben so finden sich Lectüre und Gesellschaftsspiele vor, wie überhaupt dem Reisenden auf den bequem eingerichteten Eiljachten jede Annehmlichkeit geboten wird", heißt es in dem Reiseführer. Ein Geschäftsmann aus Trier, der eine Besorgung in Koblenz tätigen will, kann dies heute dank Autobahn oder Intercity bequem innerhalb weniger Stunden erledigen. Um 1840 musste er dafür seinen Koffer packen, denn fünf Tage alleine verbrachte er auf dem Schiff. "Doch das war schon ein Fortschritt", merkt Manfred Simon an. "Die Bahnverbindung gab es noch nicht, man konnte also nur zu Fuß, auf dem Pferd oder mit der Kutsche vorankommen."Die beiden Sammler hoffen, dass sich in den nächsten Monaten noch viele Gäste die Ausstellung ansehen werden. Bis Mitte September kann sie täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr im Hause Böcking besichtigt werden. Und während Flöße, Frachtschiffe und moderne Fahrgastschiffe in malerischer Landschaft durch das Museum ziehen, schmieden Hans Schneiß und Manfred Simon schon neue Pläne: Eine der nächsten Ausstellungen soll Fähren auf der Mosel zeigen. "Früher hatte jedes Dorf am Fluss eine Ponte", sagt Simon. Wer noch alte Fotos dazu besitzt, darf sich gerne mit den beiden Heimatforschern in Verbindung setzen.Extra Nicht nur Eiljachten verkehrten in den 1840er Jahren auf der Mosel, sondern der Reiseführer empfiehlt auch die Möglichkeit, von Trier aus die Reise nach Koblenz mit einem Kahn und "rüstigen Ruderern" anzutreten. Die Boote waren mit Leinwand gedeckt, fassten fünf bis sechs Personen und boten als Bequemlichkeit nur einen Sitz. Zehn bis zwölf Taler waren für die Fahrt zu entrichten. "Bei hohem Wasser und fleißigen Ruderern kann die Strecke in zwei Tagen zurückgelegt werden, gewöhnlich hat man aber zweieinhalb bis drei Tage nöthig." Im Juni 1910 machte ein Gerücht in Traben die Runde und ließ eine große Menschenmenge ans Ufer eilen. Es hieß, der Kronprinz komme in die Stadt, und der in voller Flaggenparade da liegende Moseldampfer "Prinz Heinrich" bestärkte das Volk in seiner Annahme. Doch die Enttäuschung folgte, "als gegen 3 Uhr eine Gesellschaft Herren in Civil den Dampfer bestiegen, und unter den Klängen einer an Bord befindlichen Musikkapelle das Schiff unseren Ort verließ", schreibt die Mittelmosel-Zeitung. Nachforschungen ergaben, dass die Herren aus Berlin kamen und hier an einer Kellerei-Besichtigung teilgenommen hatten. (GKB)

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