Winzer-Aufstand schreibt Geschichte

BERNKASTEL-KUES. Wen interessiert im fernen Berlin, was im Herzen der Mittelmosel los ist? Kaum jemand! 1926 war das anders. Da befasste sich sogar der Reichstag mit dem Treiben in Bernkastel-Kues.

Bernkastel und Kues feiern in diesem Jahr die 100. Wiederkehr ihrer Vereinigung. Im kommenden Jahr steht ebenfalls ein Jubiläum an. Dann jährt sich der Sturm auf das Finanzamt zum 80. Mal. Schätzungsweise 2000 Winzer aus der Region waren damals vor das markante Gebäude in Bernkastel gezogen und hatten es schließlich gestürmt, um ihrer aufgestauten Wut freien Lauf zu lassen.Gewalt gegen Mobiliar und Menschen

Der vollständig gelähmte Weinhandel, volle Keller, Verschuldung der Familien und besonders die hohe Weinsteuer führten damals dazu, dass die Winzer am 25. Februar 1926 mit Gewalt gegen Gebäude, Mobiliar und Menschen vorgingen. Der Historiker Matthias Spindler ist vor einiger Zeit auf diese Vorgänge gestoßen. Der Pfälzer beschäftigt sich bereits seit Jahren mit dem Thema "Die Pfälzer Separatisten". In diesem Zusammenhang stieß er bei der Lektüre von Clara Viebigs Buch "Die Goldenen Berge" auch auf den Bernkasteler Finanzamtssturm aus dem Jahr 1926. Was er bisher darüber in Archiven recherchierte, hat er schon aufgearbeitet. Daraus ist bereits ein einstündiges Feature entstanden, das heute, Samstag, zwischen 21 und 22 Uhr im zweiten Hörfunk-Programm von SWR 2 gesendet wird. Der Titel der Sendung: "Aufstand der Anständigen". Matthias Spindler spricht von einem "historischen Hörbild". Er misst den damaligen Vorgängen große geschichtliche Bedeutung bei. "Der Finanzamtssturm war sogar Thema im Berliner Reichstag. Es war einer der wenigen Proteste gegen Steuern, der Erfolg hatte", erzählt er. Es gebe viele Quellen zu der Thematik, sagt Spindler. Er glaubt aber auch, dass in manchen Archiven noch unentdeckte Schätze liegen. Der Historiker will sich deshalb verstärkt mit dem Finanzamtssturm beschäftigen und auch ein Buch schreiben. "Das wird aber noch Jahre dauern", sagt er. Schließlich betreibt der studierte Historiker seine Studien nur nebenbei. Im Hauptberuf produziert er Jazz-Sendungen für den Hörfunk. An die Mosel kam er bisher nur, um Wein zu kaufen (Spindler: "Richtig trocken muss er sein"). Demnächst will er aber auch einmal vorbeischauen, um vor Ort über den Finanzamtssturm zu recherchieren.

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