Wittlich: Himbeersaft hat ausgedient

BERNKASTEL-WITTLICH. Am heutigen Donnerstag wird in vielen Orten an der Mosel, auf dem Hunsrück und in der Eifel Weiberfastnacht gefeiert. Die Männer fürchten um ihre Krawatte, die Frauen lassen es sich gut gehen und genießen das alte Brauchtum.

 Auf die Leiter, fertig los! Tausende närrischer Zaungäste werden heute wieder die Erstürmung des wittlicher Rathauses mitverfolgen.Foto: TV-Archiv/Tittel

Auf die Leiter, fertig los! Tausende närrischer Zaungäste werden heute wieder die Erstürmung des wittlicher Rathauses mitverfolgen.Foto: TV-Archiv/Tittel

Himbeersaftund Mundharmonikaspiel - damit gaben sich 1937 die Möhnen inPiesport an der Mosel zufrieden. Klingt romantisch und abstinent.In Wahrheit hängt es aber mit wirtschaftlich kargen Zeitenzusammen. Ohne Moos nix los - auch im Brauchtum. Denn dieWeiberfastnacht ist tatsächlich durch "spendiertes" Geldentstanden. Der längst verstorbene Volkskundler Josef Schmitt ausMaring-Noviand hat sich mit Frauen unterhalten, die ihm von denAnfängen der Weiberfastnacht vor etwa 150 Jahren berichteten. "Die Frauen reinigten die Dorfbrunnen und die Gemeinde zahlte ihnen dafür einen Betrag: den Erlös aus der Versteigerung eines Baumes aus dem Gemeinde-Wald. Mit diesem Geld hielten die Frauen ihre Feier am Donnerstag vor der Fastnacht." Aus manchen Dörfern wird berichtet, dass die Weiberfastnacht in der guten alten Zeit um 1900 eingeführt wurde. Die Frauen zogen damals mit Birkenbesen, singend und tanzend durch den Ort.

Männer mussten die Getränke zahlen

Auch die Kleidung der heutigen Möhnen stammt aus dieser Zeit. Doch seither hat sich die Weiberfastnacht stark gewandelt. Nicht nur vom "Moos" her. Von wegen Himbeersaft. Trotzdem ist sie in vielen Orten die alleinige Sache der "Weiber" geblieben. Das Wort ist im übrigen in früheren Jahren kein Schimpfwort gewesen sondern die normale und keinesfalls abwertende Bezeichnung für das "weibliche" Geschlecht. Zugegeben, noch in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts trauten sich die Männer an Weiberfastnacht nicht auf die Straße. Die Frauen zogen jeden Mann, der ihnen über den Weg lief, in die nächste Gaststätte, damit der Ihnen die Getränke spendierte.

Heute sind die Männer erwünscht

40 Jahre später sieht dies anders aus: Die Männer werden kaum noch gebeutelt und sind sogar an Weiberfastnacht generell erwünscht. Denn das Objekt der weiblichen Begierde an diesem Tag ist die männliche Krawatte. An den Schlips gehen und ihn mit der Schere kürzen - ein Schelm wer Böses dabei denkt. Da machen dann die Männer sogar gerne mit, wenn ihr "bestes" Stück als Trophäe an so manchem Frauengürtel hängt. Aber - oh Wunder, ansonsten trauen sie sich kaum, bei den Feiern der holden Weiblichkeit mit zu tun. Dies jedenfalls berichtet so manche Möhne aus dem Landkreis. Meist bleiben auch im beginnenden 21. Jahrhundert die Frauen unter sich. Sie feiern in vielen Dörfern der Region, vorwiegend in der Eifel, aber auch an der Mosel und im Hunsrück. Sie treffen sich zu Kaffee und Kuchen, zu Gulasch oder zu Erbseneintopf, abends dann zum Tanz oder einfach so in den örtlichen Gaststätten. Hochburgen der Möhnen sind auch in unserer Region zu finden. Am bekanntesten sind die Städte mit Rathäusern, bei denen um 11.11 Uhr der Bürgermeister von den Möhnen seines Amtes enthoben wird, so beispielsweise in Wittlich.

In einigen Orten hat sich das Geschehen zum tagesfüllenden Brauchtum entwickelt. In dreien davon - Reil, Berglicht und Großlittgen - hat sich der TV informiert. Die Möhnen in Reil feiern Weiberfastnacht wie kaum in einem anderen Ort an der Mittelmosel. Obermöhne Liane Barzen kommt ins Schwärmen, wenn sie von der neuen Möhnentracht mit eleganten Kleidern, schwarzen Röcken und royalblauen Paillettenjacken berichtet. Seit "ewigen Zeiten" sind an die 100 Reiler Möhnen von früh morgens bis spät nachts aktiv. Ab 10 Uhr gibt es im "Möhnenkeller" Erbsensuppe. Bis um 14 Uhr haben sich dort mehrere 100 Leute gestärkt, Einheimische wie Gäste, und den Geldbeutel der Frauen gefüllt. "Dann schwirren die Möhnen truppweise durch Reil und klingeln an jeder Haustür", wie Liane Barzen erzählt. "Die Leute warten auf uns mit Wein, Bowle und Sekt. Sogar der Pfarrer hat immer Berliner für uns parat."

Der abendliche Teil beginnt pünktlich um 20 Uhr im Weinhaus Nalbach beim Möhnenball. Das Kinderprinzenpaar und später dann das Reiler Weingestirn besuchen den Ball. Interessant auch: Mia Mais, mit ihren 91 Jahren die älteste aktive Möhne, ist immer dabei.

An der Mautstelle gibt es Blut- und Leberwurst

Im Hunsrückdorf Berglicht wird seit 15 Jahren die Weiberfastnacht gefeiert. Obermöhne Silvia Petry zieht mit einem guten Dutzend Frauen verkleidet durch den Ort, im Korb selbst gebackene Mäuschen und Hunsrücker Schnaps. Sie sammeln dabei Geld für das Wurfmaterial am Rosenmontagszug. Spätnachmittags treffen sich die "Berger Weiber" im Gasthaus zur Post und feiern fröhliche Einkehr. Abends laden die Berglichter zur Kappensitzung ein. Frauen und Männer, jung und alt, finden sich zum gemeinsamen Feiern ein.

Die Durchgangsstraße in Großlittgen/Eifel gleicht am Fetten Donnerstag einer Mautstelle. Obermöhne Edith Bergmann: "Seit 27 Jahren erbitten wir vom frühen Morgen bis zur Mittagsglocke von den Autofahrern einen Obolus. Hausmacherblut- und Leberwurst ist unsere Gegenleistung. Mit dem Erlös finanzieren wir die abendliche Tanzkapelle. Nachmittags geht es in die Gastwirtschaft zur Möhnensitzung. Vorträge, Singen und Tanzen sind angesagt. Wir feiern bis in die Morgenstunden. Auch in Großlittgen wird Wert auf die Kleidung gelegt. Die Möhnenmontur mit Hut, langer Unterhose und Röcken aus der guten alten Zeit ist obligatorisch.

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