Wittlichs Viktor ist gestorben

WITTLICH. An den Folgen einer Lungenentzündung ist am Freitag Viktor Wintrich gestorben. Im September wäre er 90 Jahre alt geworden.

Kirmes, Fastnacht, Stadtgeschehen: Viktor Wintrich machte mit und wollte auch im hohen Alter noch mitreden. Der Redaktion des Trierischen Volksfreundes hat er regelmäßig Post geschickt, die letzte im vergangenen Jahr zum Thema Stadthalle. Inspiriert von der Diskussion um den Namensvorschlag zur "Kröver Nacktarschhalle", hatte er augenzwinkernd vorgeschlagen, die Wittlicher Stadthalle doch "Saustall" zu taufen. Meist legte er Zeitungsausschnitte bei, die er in seinem Zuhause in der Himmeroder Straße archivierte. Der 34-jährige Olaf Klein, der bei ihm zu Miete wohnte und dem Wittlicher Original mit ermöglichte, selbstständig leben zu können, sagt: "Dann hat er sich an seine uralte Schreibmaschine gesetzt und Stellung genommen. Das war ihm wichtig. Ich bin sehr froh, dass ich ihn kennen lernen durfte. Ich habe ihn als sehr freundlichen, zuvorkommenden Mann und guten Freund erlebt. Er hat gerne über alte Zeiten geredet und hatte immer noch den Schalk im Nacken." Zuletzt sei er noch am Karfreitag mit seiner alten Klapper durchs Haus gelaufen: "So ein Scherzbold war er. Er hat sich übers Leben gefreut." Natürlich hat er die Sitzungen der Narrenzunft zuhause im Offenen Kanal verfolgt. Olaf Klein: "Dazu hat er dann Witze zitiert. Einer seiner letzten war: Was ist ein Beamten-Teilchen? - Eine Schnecke."Den ganzen Tag Zeitung gelesen

Viktor Wintrichs Nachbarin Margret Liebenehm sagt: "Er hat sich für alles interessiert, den ganzen Tag Zeitung gelesen und vieles ausgeschnitten. Solange er konnte, hat er auch alle Veranstaltungen in der Synagoge besucht." Als es ihm gesundheitlich noch besser ging, durfte er an einen speziellen Tag nie fehlen: Beim Fastnachtsumzug in Wittlich ging er stets voran mit seiner Narrenkappe im roten goldumbordeten Umhang und zog seinen kleinen Holzzug hinter sich her. Mit diesem hatte er auch höchstpersönlich einmal einen "Ein-Mann-Umzug" organisiert. Gern erinnerte er immer daran, dass es vor der Narrenzunft rot-weiß einmal die "blauen Funken" in Wittlich gegeben hatte. Auch die Säubrennerkirmes lag dem unverheiratetem Wittlicher Original am Herzen, besonders die Kinderbelustigung am Montag. Jürgen Schmidt, bis 1975 als Verkehrsamtsleiter mit der Organisation betraut, erinnert sich: "Er war immer eine große Hilfe, sammelte Geschenke und Kleinigkeiten für den Kletterbaum, den es damals noch gab, und für das Schnappen nach der Schnur vorm Weinkelch." Noch Jahre später wollte Viktor Wintrich diese Tradition für die kleinsten Kirmesbesucher wiederbeleben. Überhaupt war für den Mann, der in vielen Vereinen Mitglied war, die Heimatliebe und Stadtpolitik wichtig. Lange besuchte er Stadtratssitzungen. Er war SPD-Mitglied, und einer seiner letzten Termine war das diesjährige Heringsessen, zu dem man ihn stets abholte. Dieter Burgard, SPD: "Man hat Viktor oft unterschätzt. Er war ein intelligenter Mann und hat als Wittlicher Original vieles erhalten und auch wieder belebt. Es wird immer seltener, dass sich jemand so engagiert." Dieter Burgard erinnert an Projekte wie Jugendherberge aber auch Haus Mehs und seinen Wunsch nach einem Heimatmuseum. Immerhin war er ja selbst ein Sammler. Für Chroniken und ähnliches konnte man bei ihm immer fündig werden. In jüngeren Jahren hat er sogar einmal dem Wittlicher Bildhauer Hanns Scherl Modell gestanden: in Bronze ist er bei der Kapelle am Weinfelder Maar so unsterblich geworden.

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