Zu Gott darf ich schreien

In den vergangenen Tagen und Wochen bin ich Menschen begegnet und habe Situationen erlebt, wo wir Gott und die Welt nicht mehr verstehen. Ganz plötzlich werden wir konfrontiert mit einer Krankheit, einer Enttäuschung in der Ehe, in der Familie, einem Unglück, einem Schicksalsschlag, einer Verzweiflungstat eines Menschen, einer Riesenungerechtigkeit oder Mobbing am Arbeitsplatz.

Und weil alles noch nicht grausam genug ist, kommt noch hinzu, dass der, der unserer Meinung nach etwas tun könnte und tun sollte - Gott - überhaupt nichts tut. Es ist gerade so, als würde er mit all den feindlichen Mächten unter einer Decke stecken. Das macht aggressiv. Und das darf sein, und es tut vielleicht sogar gut, die Wut herauszulassen. Ein guter Gott hält einiges aus. In den vergangenen Tagen an den Werktagen bin ich auf Schrifttexte in der Eucharistiefeier gestoßen - so auch auf Lk 18,1-8 - die Begegnung mit der armen Witwe, die in einer großen Notlage ist. Auch im Buch Rut 1,1.3-6.14b-16.22 ist eine ähnliche Situation zu finden. Alles vorbei - das Leben in Trümmern, die Zukunft ungewiss. In beiden Begegnungen kapitulieren die Frauen nicht. Sie geben dem Gott Israels einen Raum und lassen ihn in ihr Leben ein. Es gibt Situationen in unserem Leben, wo uns Gott grausam und teilnahmslos erscheint. Doch die menschliche Erfahrung zeigt: Immer wieder stellt sich heraus, dass wir Gott nie näher sind als dann, wenn wir mit ihm kämpfen. Nie war wohl Jesus seinem himmlischen Vater näher als in seiner Verlassenheit, als er schrie "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" (Mt 27,46). Lassen wir uns immer wieder auf Gott ein, schreien wir ihn in unserer Not an, dann werden wir merken: Er wird uns Recht verschaffen, er wird uns helfen, aus unserem Dunkel wird Licht. Wir müssen nur an ihm dran bleiben. Pfarrer Edwin Prim, Schweich

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