Zurück in die Vergangenheit

BERNKASTEL-KUES. So etwas gibt es nur noch selten: Ein Friseur-Interieur im Stile der 50er Jahre mit nostalgischem Mobiliar, einer historischen Trockenhaube, die mit ihren "Armen" aussieht wie ein Greifer, dazu Reklameschilder, von denen gelockte Damen lächeln und mit einem Produkt "mehr Freude an der Frisur versprechen". So präsentiert sich der Friseur-Salon von Berta Schu in der Altstadt von Bernkastel.

Etwas versteckt liegt der Salon im Souterrain eines Hauses in der Mandatstraße, direkt gegenüber dem Rathaus-Eingang. Die Kinder rufen Berta durchs Fenster ein fröhliches "Hallo" zu, wenn sie zum Kindergarten gehen. Für die Kleinen hält sie dann Gummibärchen bereit. Auch der Pastor ruft ein "Grüß Gott", wenn er vom Pfarrhaus zur Kirche eilt. Man kennt Berta Schu in der Stadt. Jeden Donnerstag trifft sie sich mit Alteingesessenen in einer Weinstube zum Dämmerschoppen. Sie ist gebürtige Monzelfelderin, doch in den Jahren ist sie längst zu einer Bernkasteler "Einheimischen" geworden. Ihr Salon versprüht Nostalgie. "Da pass' ich mit meinem Alter doch prima rein", sagt Berta Schu. Bei ihr fühlen sich die Kunden bestens bedient. Bei Berta Schu ist jeder Kopf in besten Händen - egal ob Frau oder Mann. Ob Haarwäsche mit sanfter Kopfmassage, Schneiden, Föhnen, Wasser- oder Dauerwelle - alles ist bei ihr zu haben. Ein Kalenderspruch über dem Spiegel verrät auch gleich ihre Devise: "Vergiß nie, dass du ein Mensch bist und keine Maschine". An dieses Motto habe sie sich immer gehalten, sagt die fast 78-Jährige. Solch einen Salon wie hier, gibt es in der ganzen Stadt nicht noch mal. "Un meich ooch net", sagt die rüstige Dame schmunzelnd. Dabei lässt sie sich während des TV -Gesprächs nicht bei ihrer Arbeit stören. Strähne für Strähne dreht sie der Bernkastelerin Maria Huwer, einer ihrer Stammkundinnen, die Haare auf Lockenwickler. Dann holt sie aus einer Ecke ein Gerät, dass eher einem Greifarm als einer Trockenhaube ähnelt. "Das ist noch deutsche Wertarbeit", sagt Schu und schon umfassen die "Greifarme" den Kopf de Kundin. Die Trockenhaube stammt aus dem Jahre 1942. Sie ist - außer fürs TV -Foto - nur noch selten im Einsatz. "Aber es gibt noch Kundinnen, die ziehen diese offenere Version einer Haube vor", verrät Schu. Damals, Anfang der 40er Jahre, begann sie die Lehre in einem Bernkasteler Friseurbetrieb. Schu stammt aus einer kinderreichen Familie, zu zwölft waren sie zu Hause in Monzelfeld. Die Eltern beschlossen, dass sie das Friseurhandwerk erlernt, obwohl sie lieber Krankenschwester werden wollte. Doch Schu hat ihren Beruf nie bereut. Sie machte die Meisterprüfung, eröffnete 1958 ihren Salon und bildete Lehrlinge aus. An die harten Zeiten kann sie sich noch gut erinnern. "Ich bin 25 Jahre lang zu Fuß von Monzelfeld nach Bernkastel gelaufen - winters wie sommers, bei Hitze, Regen und Schnee. Aber sie erschien immer pünktlich zur Arbeit. Mittlerweile wohnt Berta Schu während der Woche bei der 93-jährigen Änne Scherr - eine Etage über ihrem Salon. "Die ist für mich wie eine Mutter", erklärt sie. "Früher kam alles, was Rang und Namen hatte", erinnert sich Schu. Noch heute hat sie ihren Kundenstamm - überwiegend ältere Damen und Herren. Sie besucht Kunden im Altenheim oder zu Hause. "Wenn ich mal meinen Lebensabend in einem Seniorenheim verbringen sollte, werde ich auch dort, wenn ich noch kann, weitermachen", sagt sie augenzwinkernd. "Ich mache meine Arbeit weiter, so lange der liebe Gott mich lässt."

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