Walser darf nicht gestört werden

WITTLICH. Martin Walser war im Gespräch für das erste Gastspiel des Eifel-Literatur-Festivals in Wittlich. Doch Walser schreibt und braucht Ruhe. Stattdessen kommt Dietrich Grönemeyer, der mit seinen Gesundheitsbüchern Stammgast auf den Bestseller-Listen ist. Im Kloster Himmerod gibt’s aktuelle Gegenwarts-Literatur von Friedrich Christian Delius.

"Das Eifel-Literatur-Festival zählt zu den bundesweit etablierten Literatur-Festivals. Es ist mir eine große Freude, dass in diesem Jahr erstmals auch Wittlich mit dabei ist", sagt Elke Scheid, Leiterin der Stadtbücherei Wittlich. Inzwischen wird die Veranstaltungsreihe in einem Atemzug mit den Literaturfestivals in Berlin, Erlangen und Klagenfurt genannt.Dem "Geburtsort" treu bleiben

Für die siebte Auflage sprengt Festival-Chef Josef Zierden Kreis- und Landesgrenzen (der TV berichtete). Um neue Leser und Räume in der ganzen Eifel zu erschließen, wagt sich der Initiator diesmal bis nach Adenau, Euskirchen und Mayen. Neben der Wittlicher Synagoge und dem Kloster Himmerod sind erstmals auch Daun und Hillesheim sowie Burg Dudeldorf und Schloss Hamm (Kreis Bitburg-Prüm) mit dabei.

Dem "Geburtsort" der Mammut-Reihe bleibt Zierden dennoch treu: Mit Elke Heidenreich (5. Mai), Anselm Grün (22. September), Ulla Hahn (29. September), Peter Hahne (24. Oktober) und Alice Schwarzer (10. November) treten die meisten Autoren in Prüm auf.

"Aber es war mir wichtig, dass auch an den anderen Festival-Orten erstklassige Lesungen geboten werden", sagt Zierden. Gerne hätte er Martin Walser, der bereits 2001 und 2004 das Festival bereicherte, für Wittlich verpflichtet. "Ich lass ihn mal seinen Roman zu Ende schreiben", sagt Zierden und ergänzt augenzwinkernd: "Nicht, dass ich am Ende schuld bin, wenn der nicht erscheint."

Grönemeyer ist aber für Zierden und Bücherei-Leiterin Scheid bei weitem keine zweite Wahl. "Er ist ein vielfach preisgekrönter Mediziner, eine spannende Persönlichkeit, und sein Lebenswerk geht weit über seine Bestseller-Bücher hinaus", sagt Zierden. "Bei uns sind Grönemeyers Bücher ständig ausgeliehen", bestätigt Scheid die Beliebtheit des Autors.

Ihr hat sein aktuelles Werk "Der kleine Medicus" sehr gut gefallen, in dem die Funktionsweise des Körpers und wie er gesund bleibt für Jung und Alt verständlich erklärt wird. Neben diesem Buch stellt der Medizin-Professor am 27. Oktober in Wittlich auch "Mensch bleiben" und die "Rückenschule" vor – beides Plädoyers für eine menschlichere Medizin.

International ist Grönemeyer, der als Vater der Mikrochirurgie gilt, berühmter als sein singender Bruder Herbert. In den USA wurde er sogar zum "Man of the Year" (2000) gewählt. Scheid unterstützt, dass Festival-Chef Zierden nicht nur auf große Gegenwarts-Literatur setzt: "Es ist wichtig, die Interessen der Leser ernst zu nehmen. Sonst besteht die Gefahr, dass es elitär wird."

Scheid wird sich neben der Grönemeyer-Lesung auf jeden Fall Frank Schätzing (20. Mai, Neuerburg), Harry Rowohlt (1. Juni, Schloss Hamm) und Friedrich Christian Delius im Kloster Himmerod anhören (13. Oktober). "Delius ist ein toller Autor", schwärmt die Bücherei-Leiterin. In seinem jüngsten Roman "Mein Jahr als Mörder" entwirft er im Panorama der 40er-, 50er- und 60er-Jahre ein verkanntes Kapitel deutscher Widerstandsgeschichte.

In der Wittlicher Bücherei wurde das Werk bisher erst dreimal nachgefragt. Zum Vergleich: "Die weiße Massai" von Corinne Hofmann (31. Mai, Hillesheim) wurde in sechs Jahren 85-mal ausgeliehen.

Bei der nächsten Auflage des Festivals wäre Scheid gerne mit zwei Lesungen vertreten. Ihr Wunsch-Autor: Günter Grass. Zierden: "Hinter dem bin ich schon seit Ewigkeiten her."

Er habe sogar schon versucht, ihn über eine Ausstellung mit seinen Grafiken zu locken. "Er fühlt sich ja als Künstler zu wenig gewürdigt." Doch der Nobelpreisträger wollte nicht kommen. Zierden: "Inzwischen werden aber die Antwortbriefe seines Büros länger."

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