Ein langes Brot als Esel-Bauch

WITTLICH. Die einen treiben Sport, die anderen musizieren, singen, viele malen und gestalten gern in ihrer Freizeit. Für sie startete vor 20 Jahren eine kreisweit einzigartige Initiative: Die Malschule Wittlich, damals im alten Rathaus untergebracht. Die Schule für Kreative lebt von "Mundpropaganda".

"Das Schwierigste ist der Buckel!", "Ne, die Nase!", "Ich kann gut Katze! Mich selbst malen ist schwer!" - Mit ausgestreckten Armen hat der Junge sein Ebenbild schon aufs Papier gebracht. Jetzt ist das Tier dran. Sich selbst mit einer Katze im Arm zu zeichnen lautet das Thema in der Malschule. Rings um einen Riesentisch sitzen die kreativen "Zwerge" über ihre Arbeit gebeugt. Leise Musik dazu, die Stimmung ist entspannt. "Anne, ich bin fertig", ruft ein Mädchen. "Ja, dann fang' schon mit dem Ausschneiden an", sagt die Erzieherin Anne Zapp. Gesagt, getan.Im Winter drin, im Sommer draußen

Anne Zapp hat schon unzähligen Kindern gezeigt, wie ein selbst gemachtes Bild zum Erfolgserlebnis wird. Sie hat damals mit Wolfgang Otten die Wittlicher Malschule gegründet. Ex-Bürgermeister Helmut Hagedorn stellte einen Raum im Alten Rathaus zur Verfügung. Das Interesse wuchs. Die Malschule zog in die Tiergartenstraße um, dann in die Kurfürstenstraße und zuletzt ins neue Haus der Vereine. In Spitzenzeiten haben Anne Zapp und ihre Kollegin Edeltrud Bastgen 130 Schüler, momentan sind es 80. Sie alle werden in maximal zehnköpfigen Gruppen nach Alter eingeteilt und kommen eineinhalb Stunden in der Woche. Im Winter arbeiten sie in den schönen, hellen Werkräumen, im Sommer wird auch draußen gewerkelt, denn die angebotenen Techniken sind vielfältig.Statt Haus, Baum, Kind erst Perspektive lernen

Ihre Schüler aus dem gesamten Landkreis findet die Schule per Mundpropaganda. Aber auch Erzieher und Lehrer empfehlen sie: Entweder weil Kinder in diesem Bereich Defizite haben und gefördert werden sollen, oder weil sie besonders begabt sind. Manch ein früherer Schüler hat seine Kreativität zum Beruf gemacht, ist heute Architekturstudent oder Designer. Aus diesem Fach kommt auch Edeltrud Bastgen. Sie unterrichtet im zweiten Raum. Thema sind die Bremer Stadtmusikanten. Das Märchen wird erzählt, dann gibt es Tipps zum größten Tier, dem Esel: "Er sieht aus wie ein Pferd, nur kleiner. Sein Merkmal sind die großen Ohren. Und stellt euch ein langes Brot als Esel-Bauch vor", erklärt Edeltrud Bastgen, "Und nehmt das Blatt mal hochkant." Erst geht der Bleistift rätselnd an die Lippen, dann beugt sich ein Mädchen übers weiße Papier. "Kann ich das Buch haben?", fragt ihre Nachbarin. Literatur zum Thema mit Bildbeispielen liegt in beiden Gruppen auf dem Tisch. Schon steht der erste Esel auf hohen Beinen im Gras. Ein Junge hat ihn gemalt. Ihm gegenüber wird erst mal die Wiese begrünt. Die Malschullehrerinnen begleiten die Kinder derweil individuell bei ihrer Arbeit. "Was alle Kinder können, ist ein Haus, der Baum, ein Mensch nebendran. Wir zeigen ihnen, wie so etwas wirklich in der Natur aussieht, die Staffelung in der Landschaft. So lernen sie von vorneherein erstmal sehen und damit die Perspektive zu beachten", sagt Edeltrud Bastgen. Die Freizeit-Schule macht den Kindern Spaß. Fabian, acht Jahre, sagt: "Hier macht man schöne Sachen, und jeder kann mal sehen, was die anderen machen." Doch dann lässt er sich nicht mehr stören, denn seine Kunstkatze will auf seinen Arm. Die Wittlicher Malschule hat montags bis mittwochs von 15 bis 18 Uhr geöffnet, Telefon 06571/264242. Nach dreimaligem Probe-Unterricht müssen sich die Eltern entscheiden, ob sie ihr Kind für ein Jahr anmelden. Für das erste Kind kostet der Unterricht 45 Euro im Monat. Infos: www.malschule-wittlich.de.

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