Ein unbeschreibliches Erlebnis

WINTRICH. In Wintrich hat die "heiße" Probenphase der Passionspiele 2007 begonnen. Die Wochenenden sind für die Aktiven ausgebucht mit zahlreichen Stunden intensiver Probenarbeit.

Was ist bloß los in Wintrich, dem beschaulichen Wein- und Ferienort? Männer mit langer Mähne und wallenden Bärten, Frauen mit Kopftuch, römische Legionäre in voller Rüstungsmontur und aufgeregte Kinderscharen sind eiligen Schrittes in der sonntäglichen Mittagsruhe in den Dorfstraßen anzutreffen. Alle haben das gleiche Ziel: die Pfarrkirche St. Stephanus. Hier im Wintricher Gotteshaus hat sich in der letzten Zeit viel verändert. Starke Männer haben den Chorraum zur eindrucksvollen Bühne im "Heiligen Land" umgestaltet. Kulissenschieben, Podeste aufbauen, Zuschauertribünen einbauen - die Kirche nimmt langsam authentische Gestalt an, um Raum bieten zu können für die 30 Aufführungen der Leidensgeschichte Christi, die mit der Premiere am 2. März beginnen. Dass die Kirche der geeignetste Ort für die Wintricher Passion ist, darin sind sich alle einig. "In einer Halle würde viel von der besonderen Atmosphäre verlorengehen", ist Gemeinderefentin Margot Hartung sicher.Authentische Darstellung der Leidensgeschichte

Die Kirche füllt sich, Menschen jeden Alters, vom Kind bis zum Greis, haben sich eingefunden und harren ihres Einsatzes. Es herrscht eine freudig erwartungsvolle Stimmung. Das "Passionsspielfieber" hat Jung und Alt erfasst. Sie alle erleben eine wunderbare, innige Gemeinschaft in der authentischen Darstellung der Leidensgeschichte Jesu. Spielleiter Dirk Kessler schaut in die Menge: "Das ist einfach unbeschreiblich", kann er seine Empfindung und auch seinen Stolz beim Anblick der vielen engagierten Männer, Frauen und Kinder kaum in Worte fassen. Auch Regieassistentin Martina Gorges kann sich der einmaligen Passionsspielatmosphäre nicht entziehen - "auch wenn man beim Gedanken daran, ob auch alles reibungslos über die Bühne geht, ganz schön ins Schwitzen kommt". "Der Vorhang ist zu, das Publikum sitzt drinnen, der Leiter der Passionsspielvereinigung hält seine Ansprache, der Chor zieht ganz leise ein, dann erschallt die Orgel". Mit diesen Worten simuliert Kessler den Aufführungsbeginn und gibt das Startzeichen für die Sänger. Die Proben-Zuschauer in der Pfarrkirche überkommt ein Gänsehautgefühl, als der 90 Mitglieder starke Chor mit seinem Eingangslied "Singt dem König Freudenpsalmen, Völker ebnet seine Bahn" von beiden Seiten zur Bühne zieht. Geprobt wird an diesem Sonntagnachmittag die erste Szene mit dem triumphalen Einzug Jesu in den Tempel von Jerusalem. Und geprobt wird in zweimaligem Durchgang, denn (fast) alle Rollen sind dopppelt (oder gar dreifach) besetzt. Ohne Textbuch in der Hand und professionell agieren die Darsteller im Tempel. Jetzt geht es darum, das "Schauspielerische" einzuüben. Jesus, der Nazarener, wird erwartet: "Kommt wir eilen ihm entgegen", ruft freudig die große Kinderschar. Mitten unterm Volk ist auch die 85-jährige Trudi Schneider, die älteste Aktive. Sie schlüpft in die Rolle der alten Hirtin. "Wenn Passionsspielzeit ist, ist sie zu Hause nicht mehr zu halten", bemerkt ihr Sohn. In mehreren Rollen - und das bereits von Kindesbeinen an - stand die alte Dame schon auf der Passionspiel-Bühne. "Es ist eine wunderbare Sache", sagt Schneider, die wie die anderen mit ganzem Herzen und voller Begeisterung dabei ist. Dieses tiefgreifende Erleben, dabei sein zu dürfen, das könne man kaum beschreiben, gesteht Schneider. Auch Julian Bollig freut sich auf seine Rolle, in der Kinderschar zum ersten Mal mitzuwirken. "Das ist richtig toll", strahlt der Zehnjährige. "Ihr seid neugierig und vefolgt leise die Gespräche, die hier laufen, und ihr müsst euch kontinuierlich im Spiel bewegen," gibt Spielleiter Kessler letzte Anweisungen an das "Volk" - und die Szene geht weiter.

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