Engel schweben zwischen den Regalen

WITTLICH. (peg) Nach vielen Jahren las Pater Stephan Reimund Senge wieder vor Publikum in der Stadtbücherei. Seine treue Illustratorin Ulla Hess bot zahlreiche Originale zum Verkauf an: Geld, das zu 100 Prozent der Sudan-Hilfe zu Gute kommen wird.

Der Titel der Lesung des schreibenden Mönchs aus dem Kloster Himmerod hätte einen Abend voll reiner, traumtänzelnder Lyrik vermuten lassen. Doch hinter "Engel und Nachtwandler" verbarg sich viel mehr. Der Arbeitstitel des neuen Buchs von Stephan Reimund Senge befasst sich auf mit einem Kernproblem der Menschheit, gleichgültig, welcher Kultur und Religion er sich zu Lebzeiten zurechnete: Fünf gerade Verstorbene treffen irgendwo in einer Zwischenwelt aufeinander und beginnen erstmals damit, die eigene Vergangenheit zu reflektieren. "Der Tod sammelt sie ein mit dem Sinn und dem Unsinn ihres bisherigen Lebens." Pater Stephan hat sich für die Lesung als zentrale Figur den Logus ausgesucht, einen ehemaligen Bischof, der verwundert feststellt, dass er nicht mehr auf alles eine Antwort hat. Erstaunte Kinder begegnen ihm und schreiben einen Brief an Gott, den sie unmissverständlich auffordern: "Misch dich mal ein!" Gar zu hilflos kommt der, zumindest kurzfristig desorientierte, Bischof ihnen vor. Pater Senges Schriftsteller-Kollegin Josefine Wittenbecher las den Part des Erhard, eines wohl sortierten Wissenschaftlers, der plötzlich alle Termine, Gedankensysteme und Ordnungskriterien loslässt und mit seinem vermeintlich leeren Kopf hadert. Neben diesem bisher unveröffentlichten Werk zitierte der unermüdlich im Sudan engagierte Mönch auch Altbekanntes. Dabei erscheint es den Zuhörern als schwebten Engel zwischen den Bücherregalen umher. Auch einen seinen Mitmenschen freundlich zuzwinkerndern Abt lässt Senge erscheinen. Dieser bleibt im strömenden Regen auf dem Klosterhof stehen und hebt die Augen gen Himmel. "Viele von Ihnen haben ihn sicherlich gekannt", sagte der Pater, der auch sich auf die Suche nach einem Wort für Abschied, oder besser: für Wiederkommen, begab.Zeichnungen warten auf Käufer

Jedes Jahr verbringt Pater Senge viel Zeit in den Nuba-Bergen im Sudan, in denen ein von ihm mit-initiiertes Projekt zehn Schulen, über 100 Lehrer und zahllose Familien betreut. Unterstützt wird er bei dieser Arbeit auch von der Zeichnerin und Grafikerin Ulla Hess. Am Abend der Lesung verkaufte sie neun Originale "zu einem guten Preis" zugunsten der Sudan-Hilfe. Die anderen Werke warten in den kommenden vier Wochen im Untergeschoss der Stadtbücherei auf Interessenten. Vielleicht entpuppe sich der Besitz eines ihrer Werke ja sogar noch als Geldanlage, mutmaßte Elke Scheid, die sich ganz besonders über einen Zuhörer freute: Rainer M. Schröder, Verfasser des Buchs "Das Geheimnis der weißen Mönche", dessen Geschichte im Kloster Himmerod spielt. Pianistin Tatjana Klepikova begleitete die Lesung mit einigen hervorragend vorgetragenen Stücken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort