Großvater-, Mama- und Babygitarren

WITTLICH. Rhythmen und Instrumente aus der ganzen Welt hatte das Jugendensemble La Volta aus der Schweiz mitgebracht. Unglaublich: Selbst einem Besenstiel konnten diese Künstler Töne entlocken!

Es gibt den Besen als Tenor- und als Sopranausführung, er stammt aus der Schweiz und die, die in der Synagoge darauf spielten, nannten sich Besenistinnen: Dass Musik Arbeit macht, bevor sie so ausgezeichnet vorgetragen werden kann wie vom Schweizer Jugendensemble La Volta, das wussten die Zuschauer bereits vor diesem Konzert. Dass man jedoch auch jede Menge Spaß beim Musizieren haben kann, das verstanden sie, während sie Jürgen Hübscher und seinen Schülern lauschten. Dabei mussten sie nicht verkniffen auf den Stühlen hocken und andächtig die Stücke verfolgen, die die Musiker auf der Bühne produzierten. Zum Konzert am Sonntag waren explizit auch kleine Kinder eingeladen, für die eine Stunde stillsitzen meist schon zuviel ist. Bei La Volta durften sie klatschen, lachen, auf den Schößen ihrer Mütter mithibbeln und ihrerseits so aufregende Töne produzieren wie der Schweizer Alpengruß "Grüazi miteinand!" oder der Wittlicher Kirmesgruß "Immer Schweinebraten!", die, aus vielen Kehlen im selben Rhythmus intoniert, wiederum eine eigene musikalische Sequenz ergeben. Ganz einfach Freude an der Musik möchte Hübscher vermitteln, und das scheint für den Professor am Mozarteum in Salzburg keine Zauberei zu sein. Bei La Volta machen allerdings keine Musikstudenten mit, sondern "ganz normale" Jungs und Mädchen aus der Musikschule Reinach bei Basel: Die begannen, wie auch die meisten im Landkreis Bernkastel-Wittlich, ihre musikalische Grundausbildung in der dortigen Musikschule - hatten aber das große Glück, auf den leidenschaftlichen Lautenisten und Musikpädagogen Jürgen Hübscher zu treffen. Sein Credo: "Ich möchte mich selbst, meine Schüler und mein Publikum befähigen, Musik als sinnliches Erlebnis, als Ausdruck und Bereicherung des Seelenlebens zu erfahren." Das erreichte er in Wittlich auf vielfältige Weise: Zunächst einmal ließ er sein Konzert "In 60 Minuten um die Welt" anpfeifen, als wäre es ein Ballspiel. Im "Ukulele Rag" kreuzten - zumindest akustisch - Lokomotiven aus dem Wilden Westen die Bühne; in einem italienischen Stück stritten sich zwei temperamentvolle Mädchen, wer denn wohl die schönste Babypuppe hat. In Ermangelung eines fähigen Stepptänzers übernahmen während der Ragtime-Suite zwei Kaffeelöffel in den Händen von Tobias die Aufgabe, die Geräusche der klackernden Schuhe nachzuempfinden. Das Banjo: eine Trommel mit Saiten drauf

Wer bisher noch nicht wusste, wie die vielen kleinen Gitarrenarten in alle Welt kamen, erfuhr auch dies bei Hübscher: Zwei ganz normale Gitarren, die gerne reisten, liebten sich und bekamen Babies wie Mandolinen oder Charangos in D oder E, beide geboren in Bolivien, oder das Banjo, das, "wie praktisch", aus einer Trommel mit Saiten drauf besteht. Einen Großvater haben diese vielen Gitarren natürlich auch, erklärte Hübscher: Der dickbäuchige Gitaron, der so tief klingt, dass man schon einen Sänger aus Russland dazunehmen müsste, um diese Töne mitsingen zu können. Das sonntägliche Kinderkonzert hatte die Kreismusikschule organisiert, der Musikkreis das "große" Konzert am Samstag, das mit stehenden Ovationen endete. Den Kontakt zu Hübscher hält seit Jahren der Leiter des Zupforchesters Zeltingen, Martin Waxweiler. Er verband die La Volta-Konzerte mit einer Fortbildung seiner Leute. Die außergewöhnliche Motivation Hübschers habe sich auch in Zeltingen auf die Musiker übertragen, so Waxweiler.

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