Gute Texte, schlechte Texte

WITTLICH/TRIER/BITBURG. Max Goldt, Sprachkünstler, gab der Band ihren Namen. Wer Frugopop kennenlernen will, hat dazu in der Region demnächst Gelegenheit. Vor dem Konzert gibt es noch ein TV -Interview.

 Ein bisschen schräg muss sein: Die Band Frugopop lässt jetzt in der Region von sich hören.Foto: Joe Collings

Ein bisschen schräg muss sein: Die Band Frugopop lässt jetzt in der Region von sich hören.Foto: Joe Collings

WennRock eine schwere Lokomotive, Blues vielleicht ein Cadillac undsagen wir mal Techno ein kleiner Alu-Roller wäre, welches Gefährtpasst dann zu Frugopop? Gereon Blum : Unser Tourbus ist ein froschgrün-metallic-farbener Hanomag aus den 70er Jahren. Und weil das Geld für einen Lincoln leider noch nicht reicht, begnügen wir uns gerne mit diesem verrückten und eigenwilligen Gefährt und können uns auch bestens damit identifizieren.

Wenzel von Wartholm : Ich denke die Musik die wir machen hat auch viel mit dem Charme eines Hanomags zu tun. Etwas ruppig vielleicht, jedoch wenn du drin sitzt und die Maschine rollt ist es ein tolles Erlebnis.

A ls ein Ziel wurde mir das Verprassen von Millionen in diversen Bars genannt. Wenn\\\\'s auf dem Weg dorthin auch schon ein bisschen mehr sein dürfte: Wen wünschen Sie sich als Vorgruppe auf dem Weg zum Ruhm?

Blum: Curtis Mayfield oder Isaac Hayes wären wunderbar als Support. Die ausgefeilten Bläser- und Streicher-Arrangements dieser Herren würden sofort die richtige Atmosphäre entstehen lassen. Und da uns diese für unsere Konzerte sehr wichtig ist, wäre das bestimmt eine tolle Kombination.

Deutschland sucht den Superstar: Wie sehen die Frugopopper dieses Phänomen?

Blum: Eigentlich mit Bedauern. Da es sich hierbei aber offensichtlich nur um eine neue Form von Reality-Show handelt und sich alles nur um Einschaltquoten statt um musikalische Highlights dreht, sehen wir keinen Grund, sich darüber aufzuregen. Man muss es ja schließlich nicht einschalten.

Was sagt der Herr Bohlen denn über Sie?

Blum: Der Herr Bohlen wird hoffentlich sofort merken, dass unsere Musik nicht massenkompatibel ist und dann am besten gar nichts über uns sagen.

Wartholm: Wir bewegen uns ja zum Glück in einer Szene, wo es noch wirklich um Musik geht, wo sich Künstler wirklich abarbeiten, um eine musikalische Entwicklung voranzutreiben. Underworld, Jimi Tenor, Gus Gus, Tocotronic, Moby etc. - sie alle arbeiten an der Sprache "Pop". Aber sie versuchen eben diese Sprache auszubauen. Immer einen weiteren Schritt zu tun. Das hat nichts mit purem Kommerz in der Art eines Dieter Bohlen zu tun. Trotzdem sind diese Bands sehr erfolgreich ohne sich völlig prostituieren zu müssen. Das ist ein Ziel. Einen Gegenpol zu schaffen, das ist die Aufgabe von Künstlern.

Musik liegt ja bekanntlich in der Luft. Wann haben Sie denn gesagt: "Aufstehen Musik und kommen Sie zu uns!" Wie widerspenstig war sie denn, die Frau Musik?

Blum: Wir haben alle sehr früh damit begonnen, die Frau Musik zu wecken. Zu Beginn natürlich jeder für sich alleine und jeder in verschiedenen Sparten der Musik. Vor etwa vier Jahren sind wir uns dann begegnet und Punk, Jazz, Wave und Rock sind aufeinander getroffen und machen jetzt gemeinsame Sache.

Apropos Frugo: Das waren doch die klebrigen Fruchtkaugummis zum Runterschlucken. Welcher Geschmack von Himbeere bis Orange passt denn zu Ihrem Stil?

Blum: " Waldmeister gildet nicht" heißt es in Max Goldts Kurzgeschichte "Oma Lüneburg trinkt keinen Sprudel", aus der unser Name stammt. Und trotzdem: Wenns diese klebrigen Dinger in Waldmeister gibt, dann sind das die, die wir den ganzen Tag kauen.

Man kann als ungeübter Ersthörer vielleicht von einer Art beschwingten, fein herausgeputzten, eleganten Barmelodien ohne Kratzbürsteleien sprechen. Wie beschreiben die Profis ihr Werk?

Blum: Bis jetzt haben wir das gerne als Trash-Pop bezeichnet. Pop selbst klingt aber immer ein bisschen smart und wenig ernsthaft. Dieser Eindruck soll allerdings nicht entstehen. Und Kratzbürsteleien sind sehr wohl enthalten. Auf keinen Fall wollen wir ohne Kanten sein und weben auch gerade deshalb so gerne verschiedene Elemente aus anderen Musikrichtungen mit ein. Elegant und Beschwingt - ja, das hören wir gerne!

Laut Texten scheint das Musizieren ja für Sie recht existenziell zu sein. Ein Zitat "und eine Jugend ... die sich nur hält durch jeden Ton den wir hier produzieren".

Wartholm: Warum wir Musik machen? Ich sag es mal so. Wenn du klein bist, landest du da wo ich aufgewachsen bin (in der Eifel), fast zwangsläufig im Fußballverein, weil es auf den Dörfern kaum andere Möglichkeiten gibt sich zu Engagieren. Irgendwann merkst du dann, dass du mit dem, was du da machst, nicht unbedingt das erreichst, was ein Teenager zu erreichen gewillt ist ... Der Musikverein ist auch nicht unbedingt ein Ersatz für den Fußballverein, also fängt man an, sich mit einigen Jungs oder Mädels zusammenzutun und einen eigenen Weg zu gehen. Der Weg führt dann häufig in Nischen. Meine war es, nachts mit Malte den Wald zu durchforsten oder im Heizungskeller auf selbstgebauten Instrumenten Sounds zu erzeugen, was mir im Laufe der Jahre eine entsprechende Stärke gegeben hat. Das ist schon 15 Jahre her. Ich fand immer wieder zur Musik zurück. Ich stelle mir bei Dingen, die ich mache, oft die Frage: Muss es sein, ist das, was ich da mache, wirklich eine Notwendigkeit für mich oder kann ich darauf verzichten? Ich könnte auf fast alles verzichten, aber Musik ist das, worüber ich mich definiere. Es muss sein. So, jetzt aber mal die nächste Frage.

Wie findet man den eleganten Mittelweg zwischen sprachlichem Pathos, Plunder, Plattheiten und allzu kopflastig kultiviertem Deutsch, kurz den richtigen Ton?

Wartholm: Das ist durchaus ein Drahtseilakt. Ich denke, es ist wichtig, dass man in den Texten eine gewisse Distanz einnimmt, die trotz dieser Zurückhaltung und Distinguiertheit immer eindeutig bleibt und Begebenheiten auf die Schippe nimmt. Texte, die den eigenen Status immer wieder in Frage stellen. Schlechte Texte schauen immer nur zurück und verlieren sich im Pathos. Gute Texte schaffen es, bekannte Situationen auf eine neue Art zu sagen und somit eine differenzierte Sichtweise und neuen Interpretationsspielraum zu geben.

Der Sound ist sehr tanzbar, unaufdringlich, von gewisser frischer Leichtigkeit. Wie macht man das?

Blum: (lacht) Danke, aber das zu erklären, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Es hat viel mit einem Lebensgefühl zu tun.

Warum braucht man dazu eigentlich noch Text?

Blum: Der Text und vor allem der Gesang sind sehr wichtig, um der Musik eine Identität zu verleihen. Leicht zu erkennen ist dies an den unzähligen Dancefloor - Produktionen oder den minimalistischen elektronischen Musikproduktionen. Das klingt dann zwar immer sehr modern, hat aber kein eigenes Gesicht. Unser Ziel ist die Kombination aus Club und Bühne - also eine Musik mit den neuen technischen Möglichkeiten und mit alten Instrumenten und natürlich Gesang entstehen zu lassen.

Was bleibt von Frugopop, wenn der Strom ausfällt?

Blum: Wie bei anderen Bands auch, eigentlich nur noch das Schlagzeug und - zwar dann leise - der Gesang. Wenn man genau hinhört auch das sehr glockig klingende Rhodes-Piano und ein sehr leiser funkiger Bassist.

Warum sind Sie auch sehenswert?

Wartholm: Ich denke, weil wir eine echte Band sind und nicht irgendein imageloses Laptop-Elektronik-Projekt. Es ist immer schön, wenn man eine Band sieht, die etwas Spezielles macht. Und das ist bei uns der neuartige Sound der durch die Verbindung der Elektronik und der Live-Besetzung entsteht. Was ich bei den meisten elektronischen Acts hasse, ist, wenn jemand vor seinem Laptop sitzt und man noch nicht mal sieht, was er da am Werkeln ist. Da wäre dann wenigstens eine große Leinwand angebracht.

Was hören Sie gerade?

Blum: Die neue Platte von Jimi Tenor

Wartholm: Das aktuelle Album der Queens of the Stoneage.

Die Fragen stellte Redakteurin Sonja Sünnen

KONZERTE: 21. Februar, Haus Fetzenreich, Trier und 22. Februar, Café am Markt in Wittlich.

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