Im Kleinen wie im Großen

Himmerod . (gkl) Es ist schon seit vielen Jahren eine gute Tradition, dass sich Mitglieder der Europäischen Autorenvereinigung "Die Kogge" zu einem verlängerten Arbeitswochenende in der Abtei Himmerod treffen. In der Abgeschiedenheit des Klosters wird an Texten gearbeitet, sich beraten und vor allem, es wird viel nachgedacht.

Mit Sitz in Minden ist "Die Kogge" ein beachtenswerter internationaler Verband von derzeit 172 Mitgliedern aus 15 Nationen. Im TV -Gespräch erläuterte Hugo Ernst Käufer, Ehrenvorsitzender der Vereinigung, dass längst nicht jeder, der sich zur Schriftstellerei berufen fühlt, Mitglied der Kogge werden kann. Aufgenommen wird nur, wer eine Empfehlung hat, die natürlich nur ausgesprochen wird, wenn das potenzielle neue Mitglied schon etwas vorzuweisen hat. Inzwischen ebenfalls zur Tradition geworden ist ein Abend, an dem die Teilnehmer ihre Texte der Öffentlichkeit vorstellen, eingerahmt von einem Orgelkonzert. Nur eine relativ kleine Schar von Zuhörern hatte den Weg nach Himmerod gefunden, um sich Prosa und Lyrik der Schriftsteller sowie Musik von Johann Sebastian Bach, Olivier Messiaen, Vincenzo Petrali, Percy Whitlock und Theodor Dubois anzuhören. Das Thema des Arbeitstreffen der Autoren hieß "Toleranzen in Europa". Damit hatten sich die Schriftsteller einem uralten und trotzdem hoch aktuellen Thema zugewandt."Die Menschheit tut sich schwer mit Toleranz"

In der Einführung durch die Organisatorin Ulla Klomp gab es zunächst einmal die Erläuterung, dass man im Internet, gebe man den Begriff "Toleranz" in einer Suchmaschine ein, 140 000 Meldungen bekomme. Ein Beweis, so Klomp, wie groß das Bedürfnis der Menschen ist, ihn sich auf die Fahne zu schreiben oder sich mit ihm auseinander zu setzen. "Andererseits", so war zu hören, "zeigen alle Krisenherde unserer Welt deutlich, wie schwer sich die Menschheit mit der Toleranz tut". Die Art, wie die sechs Schriftsteller mit der Thematik umgingen, hätte vielfältiger nicht sein können. Am eindrucksvollsten erschien dabei der Beitrag von Bernd Kebelmann aus Waltrop, der sich mit der Situation eines Adoptivkindes aus der dritten Welt befasste. Er beschrieb aus Sicht des Kindes, wie problematisch es für die neuen Eltern ist, trotz allen guten Willens, das so ganz andere Wesen des Kindes zu ertragen und auszuhalten - eben zu tolerieren. Das musikalische Programm wurde von Professor Carsten Klomp gestaltet und beschäftigte sich im übertragenen Sinne ebenfalls mit dem Thema. Schon das erste Werk des Abends, das Pièce d'Orgue, BWV 572, von Bach, war ein lebendiger Beweis dafür, dass der Thomaskantor nicht davor zurück schreckte, über seinen thüringisch-sächsischen Tellerrand hinaus zu schauen. Intensiv hat er sich in diesem Werk mit der französischen Art des Komponierens auseinander gesetzt und sein eigenes Schaffen davon befruchten lassen. Gleiches galt für "La joie de la grâce" aus dem "Livre du Saint Sacrement" von Messiaen, der sich mit den Klängen der Natur beschäftigt und den Gesang der Vögel verarbeitet. Ein eindrucksvoller Abend, der auf vielfältige Weise zu einem menschenwürdigeren Umgang eines jeden mit seinen Mitmenschen - zu Toleranz im Kleinen wie im großen Weltgeschehen - aufrief.

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