Junge Männer, reife Klänge

Wittlich . Mit Kompositionen von Beethoven, Brahms und Schumann gestaltete das Duo Linus Roth und José Gallardo einen Kammermusikabend in der Wittlicher Synagoge. Mit Bravorufen und stehendem Applaus bedankte sich das Publikum am Ende bei den Künstlern für ein Konzert, das von großer Reife geprägt war.

Linus Roth und José Gallardo, zwei junge Musiker, die, würde man ihnen auf der Straße begegnen, eher an abenteuerlustige junge Menschen erinnern als an Künstler, die sich mit der schweren Sprache der Kammermusik befassen. Es würde niemanden verwundern, wenn sie sich auf dem Weg in die nächste Disko befänden, um dort mit Charme und gewinnendem Lächeln die Herzen junger Damen im Fluge zu erobern. Stattdessen beschäftigen sie sich mit Musik längst vergangener Zeiten, spüren den Empfindungen von Komponisten nach, erforschen, was ein Tonsetzer sich mit dieser oder jener Tonfolge wohl gedacht haben mag. Man sollte mit Prädikaten wie "Ausnahmemusiker" oder gar "Teufelsgeiger", die man über das Duo schon lesen konnte, immer sehr vorsichtig sein. Zu schnell ist da ein Etikett geklebt, das sich nur schwer wieder entfernen lässt. Dass man aber in der Wittlicher Synagoge etwas Außergewöhnliches erleben konnte, als Roth und Gallardo ihren Kammermusikabend gestalteten, das steht außer Frage. Reif - anders kann man die Art, wie das Duo die Synagoge mit der Sonate Opus 96 Nr. 10, der zweiten Sonate, Opus 100, von Johannes Brahms und der d-Moll-Sonate von Robert Schumann erfüllten, nicht bezeichnen. Auffällig war schon nach den ersten Takten, dass hier zwei völlig gleichberechtigte Musiker agierten. Ein Miteinander, ein "sich die Bälle zuspielen", prägte das Erscheinungsbild.Frage- und Antwortspiel mit Komponisten

Roth und Gallardo führten einen Dialog, ein Frage- und Antwortspiel, bei dem sie die Komponisten nie außen vor ließen. So wurde Beethovens G-Dur-Sonate zu einem abgeklärten Werk, mit dem der Meister sein Schaffen in dieser Gattung beendete. Bei Schumann erstrahlte der sinfonische Charakter und machte die Ablehnung der Komposition bis zum Ende des 19. Jahrhunderts unverständlich. Tief tauchten die beiden in die Tonsprache des kammermusikalischen Großmeisters Brahms ein und loteten gefühlvoll dessen Intentionen aus. Aber nicht nur die musikalische Seite gab dem Abend etwas Faszinierendes. Die technische Brillanz, die feurige und absolut präzise Virtuosität, mit der Roth und Gallardo zu Werke gingen, waren ein weiteres Glanzlicht, mit dem sie ihr Publikum fesselten - trotz der Unzulänglichkeiten des Flügels in der Synagoge, mit denen der Pianist zu kämpfen hatte. Wer die Konzerte in der Synagoge regelmäßig besucht, der muss feststellen, dass es dem Flügel immer mehr an Prägnanz fehlt, dass er immer häufiger den Pianisten die Gefolgschaft verweigert, subtile Passagen nur widerwillig umsetzt. Schon fast liebevoll war der Kommentar Gallardos nach dem Konzert über das Instrument: "Ich mag Steinwayflügel, auch wenn sie nicht mehr die besten sind." Vom Wittlicher Musikkreis war der Abend mit dem Titel "Stradivari Zauber" überschrieben. Dieser plakative Titel griff erheblich zu kurz. Natürlich ist es etwas Besonderes, dass Roth ein Instrument des großen italienischen Meisters spielt. Welchen Wert aber hat eine Meistergeige, wenn sie nicht mit meisterlich gespielt wird. Das Niveau der Wittlicher Konzerte im Allgemeinen und dieses Abends im Besonderen ist zu hoch, um auf solch eine, letztlich leere Formel reduziert zu werden. Es waren etliche Aspekte, die dieses Konzert zu etwas Bezauberndem machten, bei dem die vielfachen Bravorufe am Ende nicht unberechtigt waren.

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