Kleine Kapellen, gewaltige Fußmärsche

BERNKASTEL-WITTLICH. (ger) Das 19. Jahrhundert war von Wandermusikanten, aber auch von den Vorläufern der heutigen Musikvereine geprägt. Die ältesten Gruppen stammen aus den dreißiger Jahren dieses Säkulums. Die TV -Serie zur Geschichte der Blasmusik beleuchtet die Anfänge der Vereine.

Umherziehende Musikanten waren im Trierer Land im beginnenden 19. Jahrhundert keine Seltenheit. Musikanten, die ihre Gewerbe außerhalb des Polizeibezirks ihres Wohnorts betrieben, bedurften einer polizeiliche Legitimation. Aus der ehemaligen Amtsbürgermeisterei Binsfeld/Eifel ist ein derartiges Schriftstück erhalten. "16. Januar 1865: Der Musikus Nikolaus Bischett aus Binsfeld erhält die Erlaubnis, mit seinen Gehilfen Nikolaus und Matthias Dahm aus Klüsserath, Peter und Matthias Bedornsky und Peter Dahlem aus Sehlem und Philipp Hauprich aus Niersbach bis auf weiteres in allen Orten der Bürgermeistereien im Umkreis von zwei Meilen um Binsfeld sein (Musizier-) Gewerbe auszuüben, und zwar in den Ortschaften der Bürgermeistereien Salmrohr, Wittlich, Spangdahlem, Landscheid, Oberkail, Eisenschmitt, Heidweiler, Sehlem und Hetzerath. Darüber hinaus dürfen sie in den Ortschaften Altrich, Büscheid, Krames, Klausen, Pohlbach, Bettenfeld, Karl, Großlittgen, Schladt, Musweiler und Plein zur Tanzmusik aufspielen." 1843 gab es im Altkreis Wittlich 13 und im Altkreis Bernkastel 29 Musikanten, die "gewerbsweise in Wirtshäusern und bei Gastereien" spielten. Der Wallfahrtsort Klausen dürfte den Musikanten ein einträgliches Einkommen beschert haben. Dort fanden des öfteren Tanzmusiken statt. Für das Jahr 1831 erfahren wir, dass die an den Pfingsttagen üblichen Pfarrprozessionen bisweilen stark von Tanzveranstaltungen gestört wurden. 1864 wird aus dem Moselort Graach von sechs Musikanten berichtet, die anlässlich einer Goldenen Hochzeit, damals ein seltenes Ereignis, aufspielten.Graacher Familienfest mit sechs Instrumentalisten

"Als wir mit unserer Familie zur Kirche gehen sollten, standen ohne unser Wissen sechs Musikanten auf Parad und begleiteten uns bis zur Kirche, und während der Heiligen Messe ward mehrmals geschossen. Nach der Heiligen Messe bekleiteten uns die Musikanten nochmals zu Haus." Nach den Freiheitskriegen von 1814 hatte sich ein neuer Zeitgeist entfaltet, der dem Menschen staatlicherseits mehr Freiheiten zugestand als zur Feudalzeit. Die damit einhergehenden Veränderungen setzten auch im musikalischen Leben Akzente frei, die langfristig den Weg zur Gründung unserer heutigen Musikvereine ebneten. Vergnügte Unterhaltung war ein Hauptmotiv, jenseits aller beruflichen, ständischen und häuslichen Beschränkungen, aber ganz im Bewusstsein eines neu empfundenen Individualismus. Die Artikulierung in Vereinen wurde gerne genutzt, so dass man die Vereine vereinfacht als Foren bürgerlicher Entfaltung betrachten kann.Musikalische Bürgerwehr in Bernkastel

So gab es 1848 in Bernkastel den Musikzug der Bürgerwehr. In Wittlich entstand 1848 das Städtische Bürger-Musikkorps zwecks Unterhaltung der Bevölkerung und zur Mitwirkung bei Festen. Später wirkten in der Kreisstadt zeitgleich zwei Orchester, die an Musikvereine heutigen Zuschnittes denken lassen. 1861 war die "Kapelle des Gesellenvereins" gegründet worden. Außerdem gab es die "Städtische Kapelle Concordia". 1869 verschmolzen beide Wittlicher Orchester unter dem Dirigenten Wilhelm Schmitt zur "Städtischen Kapelle". Im Mitgliederverzeichnis der "Feuerlösch-Compagnie" der Stadt Wittlich ist 1866 auch eine "Feuerwehrkapelle" erwähnt. Diese "Feuerwehrmusik" bestand bis 1896. In Veldenz bestand bereits 1872 eine Dorfkapelle. In Binsfeld/Eifel waren 1881/82 sechs Musiker mit Zwerchpfeifen, Signalhörnern und kleinen Trommeln als Abteilung der Feuerwehr tätig. In Bettenfeld gab es eine Feuerwehrmusik (1866-1896). Allgemein waren es Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend Wandermusikanten und kleinere Unterhaltungskapellen, die von Ort zu Ort und von Kirmes zu Kirmes zogen. An der Mittelmosel erfahren wir aus Veranstaltungen der Jahre 1875 bis 1900 unter anderem von der "Kapelle Hirsch, Berncastel", der "Kapelle Gille, Enkirch", der "Pündericher Kapelle", der "Kapelle Bernhard, Zeltingen", der "Kapelle Bechtel" aus Kinheim und der "Kapelle Friedrich" aus Wehlen. Die Kapelle Schon aus Bausendorf gastierte "moselauf und -ab, auch weit ins stille Eifelland hinein gab ihr Name die beste Reklame für reichlichen Kirmesbesuch ab". Keine Hochzeit, nicht ein feierlicher Empfang oder irgendeine bedeutsame Festlichkeit wollte auf den Kunstgenuss der Schon'schen Kapelle verzichten. Mindestens ebenso bekannt war die Kapelle der Gebrüder Stölben aus Manderscheid. Diese Musiker wurden Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts oftmals zur Tanzmusik in zahlreiche Eifelorte und darüber hinaus bestellt. Gewaltige Fußmärsche legten sie zu ihren Auftrittsorten zurück. "Hannes, der Kapellmeister, spielte meisterhaft Trompete und Klarinette. Pitter beherrschte Bratsche und Tuba. Jusep war ein vorzüglicher Streichbassist und Tenorhornbläser. Kläs meisterte die Geige und das Althorn."

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