Musik aus dem Umfeld des Todes

Wittlich. Die Kombination aus Geburtstagsfeier und Gedenken an die Naziopfer ist keine leichte Aufgabe. In Wittlich wagte man den Spagat und bescherte dem Publikum einen eindrucksvollen Abend, der beiden Ansprüchen gerecht wurde.

Weltweit wurde er gefeiert, der 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart. Weltweit wird er in diesem Jahr vermarktet, alleine schon mit 1,5 Milliarden Mozartkugeln, die man in 2006 abzusetzen hofft. Der Meister aus Salzburg ist ein großer Wirtschaftsfaktor geworden, diesseits und auch jenseits der Kultur. Auch in Wittlich wurde seiner gedacht, aber in einem ganz anderen Rahmen, als man das eigentlich erwarten sollte. Hier kombinierte das Kulturamt der Stadt in Kooperation mit dem Musikkreis Stadt Wittlich die Geburtstagsfeier mit dem nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, den der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog eingerichtet hat. Geht das überhaupt? Kann man etwas so diametral Gegensätzliches wie das Freudenfest über die Geburt eines Menschen und die Erinnerung an Millionen Tote miteinander kombinieren? Der Musikwissenschaftler und Pianist Jascha Nemtsov und der Rezitator Rudolf Guckelsberger belegten in der Wittlicher Synagoge, dass es durchaus die Klammer zwischen dem Komponisten und der Todesmaschinerie gibt. Zunächst einmal durch die Ausstellung "Mozart in Theresienstadt - Kunst und Kultur im Vorhof zur Hölle", in der Nemtsov in vielen Exponaten zusammengetragen hat, wie der Komponist von den Nazis für ihre Zwecke instrumentalisiert wurde, wie er aber auch den Häftlingen das Leben, so man diesen Ausdruck überhaupt verwenden darf, erträglicher machte. Fast noch greifbarer wurde die Klammer durch das Konzert, in dem Nemtsov Mozarts Klaviersonate, KV 310, Werken des in Theresienstadt umgekommenen Viktor Ullmann gegenüberstellte. Dazu las Guckelsberger aus den erhalten gebliebenen "Theresienstädter Musikkritiken" und dem "Tagebuch in Versen" von Ullmann. Von Ullmann ist der Satz belegt: "Zu betonen ist nur, dass wir keineswegs bloß klagend an Babylons Flüssen saßen und unser Kulturwille unserem Lebenswillen adäquat war." Trotz dieser bemerkenswerten Aussage ist es schier unvorstellbar, welch wertvolle musikalischen Werke in einem Umfeld entstanden sind, in dem der gewaltsame Tod nur einen Schritt entfernt war. Dass dies in Wittlich so deutlich wurde, war dem exzellenten Spiel Nemtsovs zu verdanken, der mit Hingabe und auf künstlerisch höchstem Niveau Auszüge aus Ullmanns Sonaten Nr. 2, 3 und 7 interpretierte. Passend dazu die a-Moll Sonate von Mozart, der man in normalen Konzerten eine etwas zu romantische Ausprägung bescheinigen müsste, im Wittlicher Kontext aber genau den Punkt traf. Den Höhepunkt des Abends konnte man im zweiten Teil des Konzertes mit Ullmanns "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" erleben, in der das Können Nemtsovs und die hohe Kunst des Rezitierens bei Guckelsberger kulminierten und den zahlreichen Besuchern einen beeindruckenden Kunstgenuss bescherten. Der vom Publikum umjubelte Abend wurde vielem gerecht. Er würdigte das Geburtstagskind, erinnerte eindrucksvoll an die Naziopfer und stellte einen Meilenstein in der Pflege der jüdischen Kultur dar, der sich Kulturamt und Musikkreis gleichermaßen besonders verpflichtet fühlen.

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