Schönheit in Ton und Farbe, die berührt

HIMMEROD. Mit Gesängen vom Mittelalter bis zur Neuzeit, mit teilweise kontrastierender Orgelmusik und mit der Lichtinstallation von Stefan Knor, die die Kirche in intensive Farben tauchte, beeindruckte die Himmeroder Zisterziensernacht.

Es ist eng im Mittelschiff der Abteikirche. Mehr als 700 Menschen sind am Samstagabend gekommen, um die dritte Zisterziensernacht verfolgen. Jede Menge Stühle werden zwischen den dicken Pfeilern so platziert, dass ein Blick auf das hohe Gewölbe in der Mitte möglich ist. Um acht Uhr startet das Programm mit der Komplet (Nachtgebet) der Zisterzienser-Mönche. Noch erhellt Sonnenlicht die Kirche, doch die ersten violetten Strahler kündigen bereits an, was kommt. Um die Farben intensiver werden zu lassen, wird nach dem Nachtgebet eine Viertelstunde gewartet. Dann beginnt das Schauspiel. Die fünf Männer des Berliner Ensembles "Vox nostra" ziehen mehrstimmig singend von hinten in die Kirche ein. Zu ihren mittelalterlichen Gesängen erstrahlt die Kirche - mal in tiefem Rot, mal in Orange und Gelb, dann wieder in den verschiedensten Blautönen oder in Violett und Grün. Wie von Zauberhand scheinen die Farben zu wechseln, unterstreichen den Sinn der Gesänge oder verstärken einfach nur die Schönheit der Musik, die mal ein-, mal mehrstimmig erklingt. Das Berliner Ensemble führt die Zuhörer musikalisch durch einen Tag in einem mittelalterlichen Zisterzienserkloster, die Gesänge folgen dem täglichen Stundengebet. Zu ihnen gehören Hymnen des Kirchenlehrers Ambrosius von Mailand, die mit das älteste Gesangsrepertoire der westlichen Kirche darstellen. Er lebte im vierten Jahrhundert. Kontrastiert werden diese Gesänge durch Improvisationen der beiden Musiker Klaus Behrendt (Orgel) und Friedemann Matzeit (Saxophon). Sie vermischen die Urmotivik Gregorianischer Gesänge mit zeitgenössischen Praktiken der Harmonik. Flammenschalen geleiten die Besucher in der Pause zu den Ständen mit Getränken und Schnittchen. Die Schlangen sind lang. Die Menschen, die sich fast anderthalb Stunden lang auf Licht und Musik konzentriert haben, verlangen nach Stärkung. Als das Programm um 22.30 Uhr weitergeht, ist die Kirche nicht mehr ganz so voll. Musikalisch wird es nun mit dem 14-köpfigen Vokalensemble "Cantamus" aus Trier und einem Programm, das vom 15. Jahrhundert bis zu zeitgenössischen Komponisten reicht, noch mal intensiver. Es sind vor allem die hohen, klaren Frauenstimmen, die das Programm bereichern. Krzystof Ostrowski spielt zwischendrin eigene Werke, aber auch Stücke anderer Komponisten. Stefan Knor sorgt auch im zweiten Teil mit seinen Lichtinstallationen, die bis auf wenige Teilstücke live entstehen, immer wieder für wohlige Überraschungseffekte. Dem Publikum verlangt das Programm, das sich bis kurz nach Mitternacht erstreckt, einiges ab. Doch bedankt es sich stehend mit lang anhaltendem Applaus. Die Zisterziensernacht hat es wieder einmal geschafft, die Menschen in besonderer Art und Weise zu berühren.

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