Viele Blaskapellen wagten den Neuanfang

BERNKASTEL-WITTLICH. (ger) Die Krise der Blaskapellen in den 70er Jahren wurde gemeistert. 1981 entstand die jüngste Blaskapelle im Kreis. Mehr als ein halbes Jahrhundert Friedenszeit ließen die Kapellen quantitativ und qualitativ erstarken.

Noch war Blasmusik etwas Besonderes, für das sich die Bevölkerung begeisterte. In den 60er Jahren legte man weniger Wert auf die Art des Dargebotenen. Die Bevölkerung erfreute sich an einer dörflichen Blaskapelle. Doch das änderte sich schneller als erwartet. Um 1970 nahm das Interesse an Musikvereinen in vielen Orten schlagartig ab. Die Zahl der Zuhörer sank, die Zahl der Mitglieder ebenfalls. Was war geschehen? Rundfunk- und vor allem Fernsehgeräte hatten die Wohnstuben erobert. Sie brachten qualitativ hochwertige Interpretationen klassischer und zeitgenössischer Werke der verschiedenen Musikrichtungen unmittelbar ins Haus. Professionelle Darbietungen, die nicht nur die vielen bisherigen Besucher der Konzerte der Musikvereine hören und sehen wollten. Musik war zu einem Objekt geworden, das nichts Außergewöhnliches an sich hatte, das man per Knopfdruck Tag und Nacht abrufen konnte. Daraus resultierte Unzufriedenheit mit der Leistung des eigenen Vereins, die vor allem in den Eifelorten im nordwestlichen Teil des Kreises einherging mit Vereinsmüdigkeit. Dies war für viele Vereine eine brenzlige Situation, die bei manchen Kapellen in der Frage gipfelte: Auflösung, Fusionierung mit Nachbarvereinen oder Neubeginn?Mosel-Kapellen profitieren vom Fremdenverkehr

Die meisten der betroffenen Kapellen entschieden sich für einen Neubeginn. Eine Entscheidung, die den Weg aus der Krise bringen sollte und die Mehrzahl der Vereine bis Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre wieder erstarken ließ. Mosel- und Hunsrückorte waren von dieser Situation augenscheinlich weniger betroffen, zumindest auf den ersten Blick. Insbesondere die Kapellen an der Mosel profitierten davon, dass sie personell stärker besetzt waren und im Fremdenverkehrsgebiet Mittelmosel die Auftritte dieser Vereine auch unter touristischen Aspekten gefördert wurden und werden. Dennoch blieben einige Vereine von Krisen nicht verschont. Aus Brauneberg wird berichtet, dass "eine schwere Vereinskrise, herbeigeführt durch das Problem eines geeigneten Übungsraums, im Herbst 1971 fast zur Auflösung geführt hätte. Aber Dank der Besonnenheit einiger Mitglieder konnte dieses verhindert werden." Manchem Hunsrückverein erging es ähnlich. Insbesondere die steigende Zahl der Pendler sowie der aus beruflichen Gründen den Heimatort verlassenden Musiker führte zu Existenzproblemen. Nur wenige der in Festschriften veröffentlichten Vereins-Chroniken berichten von den Krisen der 70er Jahre. Umso offener sind die mündlichen Überlieferungen. Sie bestätigen die damaligen Probleme. Die Krisenbewältigung beim Musikverein Neumagen/Mosel, der bis 1974 auf 15 aktive Mitglieder geschrumpft war, wurde durch neue Akzente im Musikleben eingeleitet.Musikfeste nicht mehr das Nonplusultra

"Man ging auf die Mentalität der Jugend ein, gab Bewegungsspielraum in der Auswahl der Musikstücke. Diesen jungen Musikern gab man die Möglichkeit, die ihren Vorstellungen entsprechende Musik zu spielen. Sie schlossen sich sehr schnell zu einer unzertrennlichen Gruppe zusammen und bildeten so die Zukunft des Vereins." Insgesamt gesehen entwickelten sich die 70er Jahre zu einer Zeit des Suchens nach neuen Wegen. Musikfeste waren nicht mehr das Nonplusultra. Latent erkannten die Blaskapellen, dass der Zuhörer einerseits und die Musiker andererseits nicht mehr zufrieden zu stellen waren mit Festzeltauftritten und mit Marschmusik. Die Suche nach neuen Formen der konzertanten Darbietung beschäftigte die Kapellen. Auch sind die 70er Jahre die Zeit der Etablierung von vereinseigenen Zweitkapellen oder von überörtlichen Zusammenschlüssen als "Egerland-Kapellen" und "Big Bands". Anfang der 70er Jahre entstanden in Manderscheid die "Lustigen Musikanten", eine kleine Kapelle, die volkstümliche Musik spielte und annähernd zwei Jahrzehnte das Publikum im Großraum Trier begeisterte. In Wittlich-Wengerohr waren es die "Grashoppers", die als Big Band ihre Zuhörer begeisterten. In Lieser/Mosel entstand das Mittelmosel-Tanz- und Unterhaltungsorchester, das seit drei Jahrzehnten im weiten Umkreis musiziert. In Landscheid/Eifel entstanden die "Freizeitmusikanten", die volkstümliche Musik darboten. In den 70er Jahren wurden zwei Musikvereine gegründet, 1972 in Burgen und 1978 in Haag/Hunsrück. In den 80ern wurden ebenfalls zwei Vereine gegründet: 1980 entstand der MV Rapperath und 1981 dasVolksmusikorchester Veldenz.

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