Absurder Gedanke

Ich war schockiert darüber, dass eine Kleinstadt-Schule ernsthaft eine Videoüberwachung ihrer Schüler in Erwägung zieht. Ich selbst war bis 2003 Schülerin dieser Schule und kann es kaum fassen, dass es dort solche grundlegenden Veränderungen geben soll.

Vordergründig können Vorteile entstehen. Bessere Aufklärung von Schulhof-Rangeleien und ein ruhigeres Gewissen für die Pausenaufsicht. Nicht zuletzt das Prestige eines "Pilot-Projekts" des staatlichen Gymnasiums Traben-Trarbach. Aber ist das nicht zu voreilig geurteilt? Nehmen wir das Beispiel Pausenrangelei. Man sieht, wer beteiligt ist, aber wie ein Wortwechsel vorher war, können Bilder nicht zeigen. Und ob sich eine "Vorgeschichte" in der Klasse abgespielt hat, ebenso wenig. Im Übrigen ist eine solche Maßnahme ein massiver Eingriff in die Privatsphäre jedes Kindes. Sollen sie sich wirklich als Verbrecher fühlen? Selbst wenn man Einschüchterung erreicht, dann nur auf Zeit. Aggressionen werden aufgestaut und verstärkt. Für die Entwicklung normale Auseinandersetzungen werden auf andere Orte übertragen, wie den Schulweg oder das Klassenzimmer. Mein Vorschlag wäre, die Pausenaufsicht durch zusätzliche Lehrer zu verstärken. Dadurch wäre die Präsenz von "Ordnungshütern" größer, Konflikte könnten zwischenmenschlich (!) auf Vertrauensbasis gelöst werden. Abgesehen davon, sehe ich in dem absurden Gedanken, die Aufnahmen ins Internet zu stellen, eine große Gefahr. Die Idee, den Zugang zu den Daten durch Passwörter zu schützen, ist zwar löblich, aber sehr naiv. Wenn es Computer-Freaks gelingt, in PCs von Banken einzudringen, dann bekommt auch beispielsweise ein pädophiler Kollege eines Vaters, der gerne seinen Sohn in der Frühstückspause beobachtet, Zugang zu "unseren Videosequenzen". Nicht auszudenken, welche Möglichkeiten eine solche Person hätte, sich in aller Ruhe ein Opfer auszuwählen (so viel zum Thema Gewaltprävention). Alles in allem kann ich diese Entwicklung nur boykottieren und hoffe, dass dies auch viele Eltern, Lehrer und Schüler tun. In neun Jahren Schulzeit auf dem Gymnasium Traben-Trarbach kommt mir keine Situation in den Sinn, in der ich von einem solchen System profitiert hätte. Ich habe mich wohl gefühlt und wünsche es jedem Schüler, weiterhin die Pausen als Erholung sehen zu können und nicht als Druckmittel. Sarah Bremm, Zell

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