Alles zu seiner Zeit

Wenn man bedenkt, dass heutzutage bereits im August der gärende Most in Gaststätten und Supermärkten angeboten wird, ist Mitte Oktober für viele Verbraucher die Federweißensaison fast schon vorbei.

Doch echte Freunde des Federweißen wissen, dass sie jetzt die besten Qualitäten erhalten. Jetzt erst werden die hochwertigen Moste geerntet, jetzt erst ist der Genuss am größten. Und jetzt erst ist die echte, die eigentliche Federweißenzeit. Schade, dass sich heutzutage alte Traditionen nicht nach dem Kalender, sondern nach dem Kommerz richten. Schon seit Wochen sind die Regale der Supermärkte mit Spekulatius, Marzipan, Zimtsternen, Lebkuchen, Nikoläusen und Adventskalendern bestückt. Alles hat seine Zeit, heißt es. Dies gilt aber offenbar nicht, wenn's ums harte Geschäft geht. Ich persönlich halte auch nichts von dem Rummel um den ersten neuen Wein. Die Franzosen haben mit ihrem Beaujolais primeur, der jedes Jahr mit großem Brimborium angekündigt und dann am dritten Donnerstag im November in die Regale kommt, einen Verkaufsschlager erfunden. Alles braucht seine Zeit, auch der Wein. Er muss reifen - im Fass und in der Flasche. Wer ihn zu früh trinkt, der bestraft sich selbst. Das gilt besonders für die Moselrieslinge. Kaum eine andere Rebsorte ist für eine lange Lagerzeit so gut geeignet. Also Geduld: Jetzt Federweißen trinken, im Advent Spekulatius naschen und im nächsten Sommer den ersten 2006er genießen. Winfried Simon

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