Am Ende die Rechnung bitte

Fasten, Verzichten, eine Bußübung auf sich nehmen - wozu eigentlich? Viele Menschen fasten heute aus Gesundheitsgründen. Aber seien wir ehrlich - schwingt bei vielen Christen nicht auch der Gedanke mit, mit freiwilligem Verzicht, Fasten oder ähnlichem für begangenes Fehlverhalten zu büßen und sein "Konto" bei Gott aufbessern zu können?

Die Angst, Gott zu verfehlen, beziehungsweise in die "Hölle" zu kommen, war in früheren Zeiten letztlich ein Beweggrund für unzählige "Bußübungen" wie zum Beispiel Wallfahrten, Stiftungen, den Ablasshandel... In einer Welt, in der Leistung durch Gegenleistung beglichen wird, in der das Geld und der Kommerz regieren, liegt ein solches Denken auch heute noch gegenüber Gott nahe. Durch die "Leistung" guter Taten - zum Beispiel durch Fasten und Verzicht - Gott gnädig zu stimmen, dürfte insgeheim häufig der Beweggrund für unser Tun sein. Doch was für ein Gottesbild steckt hinter einem solchen Denken? Wie klein, eng und vermenschlicht ist unsere Gottesvorstellung, wenn wir meinen, Gott mit "bösen Taten" oder der Unterlassung von Guten beleidigen zu können? Degradieren wir Gott dadurch nicht zum Buchhalter, der wie bei der Kindervorstellung vom Nikolaus penibel Buch führt über jeden Menschen? Ist eine solche Vorstellung nicht eine Herabwürdigung der Größe und Souveränität Gottes? Für mich wird die Gottesvorstellung Jesu deutlich in folgendem Gedicht des Priesters und Schriftstellers Lothar Zenetti: Am Ende die Rechnung Einmal wird uns gewiss die Rechnung präsentiert: für den Sonnenschein und das Rauschen der Blätter, die sanften Maiglöckchen und die dunklen Tannen, für den Schnee und den Wind, den Vogelflug und das Gras und die Schmetterlinge, für die Luft, die wir geatmet haben, und den Blick auf die Sterne und für alle Tage, die Abende und Nächte. Einmal wird es Zeit, dass wir aufbrechen und bezahlen: Bitte die Rechnung. Doch wir haben sie ohne den Wirt gemacht: Ich habe euch eingeladen, sagt der und lacht, soweit die Erde reicht: Es war mir ein Vergnügen! Lothar Zenetti Unser Leben, die Schöpfung, alles ist Geschenk Gottes. Das sagt mir das Gedicht. Um dafür wieder mehr den Blick frei zu bekommen, genauer hinhören und empfinden zu können, ein wenig die Last ständigen Konsumierens abzuwerfen, Ballast jeglicher Art los zu werden: dafür kann eine Zeit des bewussteren Lebens sinnvoll sein. So kann die Fastenzeit zu einer Zeit der Befreiung zu eigentlichem Leben werden. Wolfram Viertelhaus, Wittlich

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