An der Mosel entlang

"Jeden Tag von Pünderich bis Bernkastel und abends wieder zurück, das ist aber ganz schön weit", sagte kürzlich ein Freund bedauernd zu mir. Sicher, eine 35-minütige Autofahrt zur Arbeit ist normalerweise nicht unbedingt ein Genuss.

Normalerweise. Aber ich habe das Privileg, jeden Tag zweimal eine Strecke zurückzulegen, die durch eine der schönsten Landschaften führt, die ich kenne. Vorbei an weltberühmten Weinbergslagen, vorbei an Burgruinen, an Kirchen und Fachwerkhäusern. Und hinter jeder Windung der Mosel genieße ich einen neuen Blick auf diese Landschaft, die so reich ist an Kultur und Geschichte, und die wegen ihrer Schönheit jedes Jahr hunderttausende Gäste anlockt. Wenn man etwas genauer hinsieht, entdeckt man in den Steilhängen bizarre Felsformationen, Treppchen und Pfade, Kapellchen, Wingertshäuschen und unzählige kleine Terrassen, auf denen Reben wachsen. Manchmal, meistens am Abend, steuere ich mein Auto in eines der Dörfer oder Städtchen - Zeltingen, Rachtig, Erden, Lösnich, Kinheim, Kröv, Wolf, Traben-Trarbach, Enkirch, Burg oder Reil. Dann gehe ich eine Viertelstunde durch den Ort, treffe gelegentlich einen Bekannten, halte ein Schwätzchen oder genieße einfach allein für mich die beschauliche Atmosphäre, die in diesen Orten noch stets herrscht. Oft überholen mich auf meiner "Lieblingsstrecke" Leute mit einem Affentempo. Die schwitzenden Hände fest ums Lenkrad geklammert und von der Raserei gestresst, merken sie nicht, was ihnen alles entgeht. Winfried Simon In der Kolumne "Guten Morgen" beschreiben wechselnde Autoren ihre Gedanken zum Tag.

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