Bewusst verzichten

"Wenn jeder an sich denkt, dann ist doch an alle gedacht!" oder: "Jeder ist sich selbst der Nächste!" - Bei solchen Sprüchen hat man den Verdacht, die Idee der Fastenzeit sei längst überholt: Bewusst auf etwas zu verzichten, um es für andere einzusetzen. Die Selbstverwirklichung scheint gefährdet, wo von Verzicht und Opfer die Rede ist. Doch wenn ich mir das Leben von Menschen anschaue, dann sehe ich, wie viele auf etwas verzichten, sogar etwas von sich herschenken, opfern. Auf was verzichten etwa Eltern, wenn sie sich in unserer Gesellschaft für ein Kind entscheiden. Welche Opfer bringen Menschen, um ihren Traumberuf zu erlernen und auszuüben. Wie viel Zeit opfern die vielen Ehrenamtlichen. Oder im Kleinen: Immer mehr Menschen kaufen im Weltladen Traben Produkte zu einem fairen Preis, bezahlen mehr als üblich, damit andere von einem gerechten Lohn auch wirklich leben können. Fasten, opfern, verzichten, etwas von mir herschenken, das fordert etwas von mir, und vielleicht hört es sich darum so überholt an. Aber es lässt uns auch intensiver leben. Wir werden mehr gewinnen als wir hergeben. Ein Bild kann das deutlich machen: Unser Leben ist wie ein Fluss, der durch trockenes Erdreich zum Meer muss. Doch der Fluss klagt: "Der trockene Sand wird mich austrocknen." Da hört er eine Stimme, die sagt: "Vertraue dich der Erde an." Aber der Fluss entgegnet: "Verliere ich mich dann nicht? Bleibe ich dann noch wie ich bin?" Die Stimme antwortet: "Du kannst nicht bleiben wie du bist." Da vertraut sich der Fluss der trockenen Erde an. Wolken saugen ihn auf und tragen ihn über heiße Sandflächen hinweg. Als Regen wird er wieder abgesetzt. Und aus den Wolken fließt ein Fluss, schöner und frischer als zuvor. Und der Fluss jubelt: "Jetzt bin ich wie verwandelt. Jetzt bin ich erst richtig ich selbst." Armin Surkus-Anzenhofer Pastoralreferent Dekanat Traben-Trarbach

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