Das Beinahe- Waterloo

Warum tu ich mir das eigentlich an?" Ich weiß nicht, wie oft ich mir diese Frage neulich an einem schönen Sommersonntag gestellt habe. Mit teilweise blamablen sechs Sachen auf dem Tacho taumele ich auf meinem Drahtesel das Timmelsjoch hoch.

Zu Fuß wäre ich auch nicht langsamer, und die Passhöhe scheint noch Lichtjahre entfernt.

Ach, es könnte alles so angenehm sein. Eine schöne Zwei tagestour wäre das, die Stubaier Alpen mit dem Velo zu umrunden. Die Landschaft ist grandios, urige Almhütten laden zur gemütlichen Rast bei Buttermilch und warmen Apfelstrudel ein. Aber nichts da: Ich muss ja unbedingt die 230 Kilometer über Kühtai, Brenner, Jaufen und Timmelsjoch in einem Rutsch abspulen und möglichst schnell wieder Sölden sehen. Immerhin: 4000 Hobbysportler haben denselben Sprung in der Schüssel wie ich: Sie wählen das sich quälen und machen beim Ötztaler Radmarathon mit. Und das heißt zumindest bei mir: Für die Blicke nach links und rechts auf das Alpenpanorama bleibt kaum Zeit. Schnell, schnell werden an den Labestationen wahllos Bananen, Müsli-Riegel und Iso-Drinks in sich hineingestopft. Schließlich erfahre ich am eigenen Leib, dass an der Weisheit "Wer am Anfang zu viel Gas gibt, ,stirbt' hintenraus", viel Wahres dran ist. Beim finalen Anstieg wollen die Muskelkrämpfe einfach nicht mehr weggehen. Zwar bin ich schon zum dritten Mal beim "Ötzi" dabei: Aber nie war ich meinem sportlichen Waterloo näher, mehr gelitten habe ich auch noch nicht. Irgendwie schaffe ich es doch noch ohne Absteigen und Schieben über den Berg, ich rolle sogar nach 10:18 Stunden mit persönlicher Bestzeit ins Ziel. Völlig entkräftet steht dort für mich fest: "Das war's. Nie wieder!", sage ich spontan zu meiner Frau, lege mich dann ins Bett, wache wieder auf und bin mir sicher: "2009 kitzel ich bestimmt noch ein paar Minütchen raus."

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