Der "Du-sollst-nicht-Gott"

Der Gott meiner Kindheit war ein sehr strenger: Gott ist allgegenwärtig, er kennt meine geheimen Wünsche, er ist allmächtig, und seine Gebote beginnen in der Regel mit: "Du sollst nicht." Der Teufel und seine Versuchungen lauern überall.

Wer in Todsünde ohne Beichte stirbt, kommt unweigerlich für ewig in die Hölle, und die Strafen der Hölle sind qualvoll. So meine Erinnerung an die Glaubensunterweisung in der Kinderzeit. Angst vor Strafe kann uns Menschen vor einigem bewahren, aber sie ist für mündige Menschen kein befreiender Weg zu einem glücklichen und erfüllten Leben. Das Evangelium des morgigen Sonntags berichtet vom Vater zweier Söhne. Der jüngere zog in die Welt, verstrickte sich in Schuld und scheiterte kläglich. In der Not kehrte er wieder nach Hause zurück. Der Vater empfing ihn wieder mit offenen Armen und feierte ein Freudenfest. Soweit das Gleichnis. Hier wird das Bild eines Vaters gezeichnet, der seinen Sohn in Freiheit entlässt und ihn trotz seines totalen Scheiterns wieder aufnimmt. Der Vater entspricht nach meinem Verständnis dem barmherzigen Gott, der uns die Freiheit der Entscheidung lässt, der uns aber immer wieder die Hand reicht. In diesem Zusammenhang fällt mir ein Wort der Bibel ein: "Wer von euch ohne Schuld, der werfe den ersten Stein." Manchmal ist mir unwohl, wenn ich sehe, mit welcher Härte Fehler oder auch nur andere Meinungen bewertet werden, und in welch rüder Form sich Gegner zuweilen attackieren. Es besteht heute vielfach eine Kritikbesessenheit, die alles in Frage stellt, nur nicht sich selbst. Natürlich müssen Fehler aufgedeckt und analysiert werden. Entscheidend ist aber der respektvolle Umgang miteinander. Wir sollten wie der barmherzige Vater aus dem Gleichnis den anderen mit offenem Herzen begegnen und das Gute in ihren Gedanken erkennen. Der Gott, an den ich heute glaube, wird es so wollen. Dieter Stuff, Ürzig

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