Die Kunst des Dankens

Ein Showmaster machte im amerikanischen Fernsehen einmal einen Test: Er verteilte Bonbons an Kinder. Jedes Kind, das Danke sagte, sollte 500 Dollar bekommen. Er musste sieben Schachteln Bonbons verteilen, bis ein Mädchen Danke sagte.

Scheinbar ist das Danken nicht gerade in Mode. Doch nur bei Kindern? Und nur in Amerika? Etwa als Ausdruck unseres neuen Selbstwertgefühls? Oder neuestens einer sozialen Verunsicherung? Zurzeit kleidet sich die Natur in herbstliche Pracht, überall feiert man Straßen-, Ernte- und Winzerfeste. Überfließende Farben, Ernte: Nahrungsmittel in Hülle und Fülle, zugleich Verfall von Kaufkraft und Erzeugerpreisen. Haben wir noch Grund zum Danken? Man schlägt die Zeitung auf: Schändung und Mord an Kindern, Wehrlosen und Unschuldigen. "Hört der Herr die Armen und hilft ihnen aus der Not?" In konkreten Fällen sagen wir: Es ist nicht so. Aber auch das Gegenteil erfahren wir: Zuwendung, Güte, Gelingen - wir begegnen Menschen, die uns voranbringen mit ihrer Liebenswürdigkeit und Kompetenz, erleben die Schönheit der Natur, des Zusammenseins, des Glücks. "Zehn wurden geheilt, nur Einer kam zurück. Wo sind die anderen neun?" Fragt Gott danach, weil er unseren Dank braucht? Oder vielmehr, weil ihm an uns liegt? Sind ihm die Gläubigen abhanden gekommen oder ihnen der Glaube? Man könnte denken, Glaube sei wie die Jahreszeiten: Man fängt immer von vorne an und kommt immer an ein Ende. Obwohl Geschöpf und vergänglich, sind wir fähig, Unendliches im Endlichen, Ewiges im Zeitlichen und Heil im Unheil zu erfahren. Es gibt einen der bleibt, der uns über die Zeit hinausführt. Ihm zu danken, heißt teilhaben an der Fülle des Lebens. Abt Bruno Fromme

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