Die Mehrzweck-Chance

Es fällt schwerer, sich von Träumen zu verabschieden als vom Lieblings-Pullover - und das ist, wie jeder weiß, schon schwer genug. Das Ganze wird umso schlimmer, wenn der Traum Jahrzehnte lang gehegt wurde und einen am Ende jemand von außen unsanft zum Aufwachen zwingt.

Deshalb kann man den Unmut verstehen, mit dem die meisten Wittlicher Stadtratsmitglieder darauf reagierten, dass sie das Land vor die Wahl stellte: Entweder wird eine Großsporthalle, die auch für andere Zwecke genutzt werden kann, oder eine Stadthalle bezuschusst. In dieser Situation hat der Stadtrat das Richtige getan und sich für die Sporthalle mit Mehrzweck-Nutzung entschieden. Denn dies wird dazu führen, dass die Stadt zeitnah einen großen Veranstaltungsort bekommt. Beim Festhalten an einer Stadthalle, von der zwar lang geträumt wurde, für die es aber keine konkreten Konzepte zu Standort, Nutzung oder Finanzierung gab, müsste man noch Jahre auf eine solche Option warten, wenn sie denn überhaupt realisiert würde. Eine reine Veranstaltungshalle wirkt zwar schicker und prestigeträchtiger, eine Mehrzweck-Nutzung muss aber kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Die Konzeption als Sporthalle sichert eine hohe Auslastung und hält die Betriebskosten für die Stadt überschaubar. So wird sich niemand vorwerfen lassen müssen, er habe für ein Millionen-Grab gestimmt. Entscheidend für den Impuls, den eine Halle für die Stadt bringt, ist zudem nicht die Frage, ob es eine Stadt- oder eine Mehrzweckhalle ist, sondern welche Veranstaltungen dort stattfinden. Das hängt wiederum davon ab, wie innovativ und flexibel die Umnutzungsoptionen der Halle gestaltet werden, und, wichtiger noch, wie gut und intensiv die Halle vermarktet wird. Deshalb sollte man auch nicht allzu neidisch nach Bitburg schielen, wo zurzeit zusammen mit dem Bau einer Markenwelt der Bitburger Brauerei eine Stadthalle entsteht. Ganz abgesehen davon, dass in der Nachbarstadt mindestens genau so lange wie in Wittlich ergebnislos über ein Hallenprojekt diskutiert wurde, bis unter tätiger Mithilfe von Projektentwicklern tatsächlich ein konsensfähiges Konzept vorlag, ist mit der Halle, wenn sie im kommenden Jahr eingeweiht wird, außer Prestige noch nichts gewonnen. Das in der Bierstadt ebenfalls virulente Problem einer fehlenden Sporthalle wird in keinem Fall gelöst, und die Betriebskosten wird die Stadt alleine schultern müssen. Mit all dem muss man sich in Wittlich nicht herumschlagen. Vor allem sollte man sich davor hüten, dem Land vorzuwerfen, es bevorzuge Bitburg und bezuschusse das Hallenprojekt angeblich mit 20 Millionen Euro. Das ist schlicht falsch: Bitburger Markenwelt und Stadthalle kosten zusammen rund 21 Millionen Euro. Den größten Batzen trägt mit 12,4 Millionen Euro die Bitburger Brauerei. Die übrigen 8,4 Millionen teilen sich Stadt und Land. Trotz des verständlichen Unbehagens am Ende des lang gehegten Traums, tut man sich und der eigenen Glaubwürdigkeit damit keinen Gefallen.

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