Glauben ohne Kirche?

Von 18 Schülerinnen und Schülern meines Grundkurses 11, die zu Beginn dieses Schuljahres einen Fragebogen anonym zum Fragenkomplex "Glaube - Kirche - Religion" ausgefüllt haben, haben zehn angekreuzt: "Kirche brauche ich für meinen Glauben nicht" und fünf "Kirche lebt zu wenig von dem, was sie predigt".

Gleichzeitig geben nur fünf an, dass Glaube für sie kaum von Bedeutung und nur einer, dass Glaube ohne Bedeutung für ihn ist. Wenn man wissenschaftliche Umfragen zu diesen Fragen liest, ergibt sich eine ähnliche Tendenz und auch unsere Erfahrung als Religionslehrer bestätigt dieses Ergebnis: Glaube, Gott, Religion spielen durchaus eine Rolle im Leben und Denken von jungen Menschen, nicht aber die Kirche. Nun kann man bei jungen Menschen um die 16 Jahre auf das entwicklungspsychologische Moment der Abnabelung und der damit verbundenen Ablehnung von Institutionen verweisen. Doch das Bild dürfte sich kaum ändern, wenn man Menschen weit höheren Alters befragt. Auch bewusste Christen sprechen von Kirche meist als von einem Gegenüber. Dabei wird durch Taufe und Firmung bzw. Konfirmation jeder Christ zum unverwechselbaren, einmaligen Teil dieser Kirche, des Volkes Gottes. Die Identifikation mit Kirche lässt rapide nach. Natürlich gibt es immer wieder aktuelle Anlässe für diese Haltung. Allein im Bistum Trier hatten wir in den letzten Monaten konkrete Fälle, die dem Image der kath. Kirche massiv geschadet haben. Allein kann ich kein Christ sein - wenn ich diese Einsicht habe, dann folgert daraus, dass ich Christ und Glaubender ohne Bindung an Kirche nicht sein kann. Durch die Gemeinschaft der Glaubenden habe ich den Glauben erhalten und als ein Teil von ihr bin ich mitverantwortlich, ihn weiterzugeben. Kirche, das sind für mich zunächst nicht die Institution mit ihren Amts- und Würdenträgern. Kirche ist vor allem das Volk Gottes, die Gemeinschaft aller Glaubenden. Interessant in Diskussionen ist immer wieder, dass für Menschen, die sich nicht mehr zur Kirche zählen, der Papst und die Bischöfe einen weit höheren Stellenwert haben als für mich. Im Sinne Jesu gibt es in der Gemeinschaft derer, die ihm nachfolgen, unterschiedliche Dienste, je nach den Fähigkeiten eines Menschen. Diese sind einander zugeordnet, aber nicht unbedingt über- und untergeordnet. Es ist meine Kirche, in der ich beheimatet bin, für die ich mich mitverantwortlich fühle und die mir viel bedeutet, an deren Institution ich allerdings auch oft leide. Wolfram Viertelhaus, Wittlich

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