Hinter dem Horizont

Meine kleine Enkelin sagte auf dem Balkon zu mir "Oma, ich sehe deinen Horizont" - stolz, das neu aufgenommene Wort gleich anwenden zu können. "Mein Horizont?", schoss es mir durch den Kopf. Ja, hier habe ich immer denselben Horizont, und er kann sich nur ändern, wenn ich mich wegbewege.

Ich erinnerte mich an die letzte Fahrt in den Bergen. Hinter jeder Kurve tat sich ein neues Sichtfeld auf, und auf dem Gipfel verlor es sich gar ins Weite. Neben dem Sichthorizont meldeten sich mein Erfahrungshorizont und mein Wissenshorizont. Nur wenn ich mich auf den Weg mache, kann ich meine Sichtweite ändern und kann offen werden für neue Eindrücke und Erfahrungen, für neue Aussichten und Einsichten. "Du führst mich hinaus ins Weite", heißt es in einem Psalm, und damit stehen wir in der Tradition einer langen Geschichte Gottes mit uns Menschen.

Auf Gottes Geheiß hin brach einst Abraham aus seinem vertrauten Umfeld auf in eine ungewisse Zukunft, wurde damit zu einem Segen für seine Nachkommen und für die ganze Menschheit. Auch Moses folgte dem Ruf Gottes und brachte das auserwählte Volk auf den Weg aus der Sklaverei in die Freiheit, auf einem harten Weg durch die Wüste, aber auf dem Weg in eine tiefe Beziehung zu Gott.

Auch Maria überschritt die Grenzen ihres überschaubaren Alltagshorizontes und traf aus dem Glauben heraus eine Entscheidung, die ihrem Leben eine neue Richtung gab und es in eine Weite führte, die die Weltgeschichte umschreiben ließ. Dann kam einer, der sich in keiner Weise eingrenzen ließ, dem Gottes Wille wichtiger war als menschliches Machtstreben, der den Horizont der gesellschaftlichen Gepflogenheiten überschritt, der sich auf die Seite der Ausgegrenzten stellte und damit Licht ins Dunkel brachte. Jesus sprach vom Sinn, der Liebe Gottes zu vertrauen und seiner heilenden Barmherzigkeit.

Wenn ich mich auf den Weg mache, öffnet der Horizont seine Grenzen, und im Vertrauen auf die Nähe Gottes in meinem Leben kann ich den Weg ins Weite wagen, den Weg in die "Freiheit der Kinder Gottes", wie Jesus ihn vor uns gegangen ist.

Elfriede Klar aus Esch ist Lehrerin im Ruhestand

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort