KULTUR

WITTLICH. Wer in Wittlich nach Kultur sucht, kommt an der ehemaligen Synagoge in der Himmeroder Straße nicht vorbei. Eine Dauerausstellung porträtiert hier seit 1993 das jüdische Leben in Wittlich.

Was auf den ersten Blick wie eine einfache, alte Schriftrolle wirkt, ist weitaus bedeutsamer - die Tora, das jüdische Pendant zur christlichen Bibel, ist die heilige Schrift des Judentums. Die Tora begrüßt die Besucher der Dauerausstellung "Jüdisches Leben in Wittlich" auf dem Weg durch das Gebäude. Zur Zeit des Dritten Reichs wurden Juden in Deutschland zur Zielscheibe für Propaganda des NSDAP-Regimes. Auch Wittlich traf diese Entwicklung: Deportation und Emigration ließen die jüdische Gemeinde, die vor 1933 rund 270 Mitglieder hatte, kontinuierlich schrumpfen. Die Wittlicher Synagoge in der Himmeroder Straße erlitt während der Reichspogromnacht 1938 schwere Schäden, ihr Innenraum wurde zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Synagoge zunächst ungenutzt - eine Ruine, die trotz allem baulich gut erhalten war. Anfang der 70er Jahre begannen die Wittlicher mit Hilfe von Fördergeldern in Höhe von 1,3 Millionen Mark, sie zu restaurieren.Arbeitskreis will Vergangenheit bewahren

Vor 16 Jahren bildete sich ein Arbeitskreis, der sich der jüdischen Vergangenheit der Säubrennerstadt annehmen wollte. Eines seiner Projekte war, eine Ausstellung zu schaffen, die das "Jüdische Leben in Wittlich" vorstellt und nicht in Vergessenheit geraten lässt. Mit Fotos und Texten dokumentiert die Ausstellung das interessante Kapitel aus Wittlichs Geschichte. Die Ausstellung wirkt wie eine Aufklärung der deutschen Vergangenheit. Informationstafeln zur jüdischen Kultur bringen Festtage und Traditionen näher. Schulzeugnisse und Familienstücke aus der Zeit vor 1933 sind ebenfalls zu finden. Besonders hebt die Ausstellung die Geschichte der Familie Frank hervor, die bis in die 30er Jahre ein Textilkaufhaus in Wittlich führte. Wie viele Händler jüdischer Abstammung in Deutschland waren auch die Franks Opfer der Nationalsozialisten. "Vor allem die Einzelschicksale jüdischer Familien faszinieren und erschüttern Touristen und Wittlicher zugleich", berichtet Stefan Endres, Mitarbeiter in der Synagoge. Eine Möglichkeit zur weiteren Recherche ist das Emil-Frank-Institut in der Schlossstraße - eine seltene Institution, zu deren Eröffnung Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, anreiste. Die Ausstellung in der Synagoge besuchen auch zahlreiche Wittlicher Schulklassen. Sie und andere Gruppen können außerdem in Führungen durch das historische Wittlich auf Spurensuche gehen. Vom Viehmarkt über Häuser, die heute auf den ersten Blick gar nicht mehr so viel aussagen, aber dennoch eine wissenswerte Vergangenheit haben, bis schließlich zur Synagoge in der Himmeroder Straße oder dem außerhalb liegenden jüdischen Friedhof: Spuren der jüdischen Vergangenheit Wittlichs erstrecken sich über die ganze Stadt. Möglichkeiten, kommende Generationen über die Geschichte Wittlichs zu informieren, sind geschaffen. Neben diesem Zweck lohnt sich die Ausstellung "Jüdisches Leben" aber auch als sehenswerte Station für Touristen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags, 14 bis 17 Uhr. Informationen zur jüdischen Geschichte Wittlichs im Internet unter www.wittlich.de

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