Kontrollieren und anzeigen

Mit ungläubigem Staunen und einem schnellen Blick auf das Datum (Nein, es ist nicht der 1. April) las ich den Artikel zum Thema "Planwagenfahrten". Seit mehreren Jahrzehnten ist der häufigste Begriff in Politikersonntagsreden und bei "Christiansen und Co." der Bürokratieabbau.

Ein grandioses Beispiel für die Umsetzung dieses wohlfeilen Wunsches liefern derzeit die Kreisverwaltung und das Mainzer Wirtschaftsministerium. Was ist geschehen? Ein von überbordender Agrarbürokratie und ständig fallenden Erzeugerpreisen leidgeplagter Winzer tut das, was ihm die Beratung immer wieder empfiehlt: Er zeigt sich kreativ und sucht nach Einkommensalternativen, sprich Planwagenfahrten mit seinen Gästen durch die Weinberge. Die Härten deutscher Bürokratie erahnend, befördert er seine Gäste aber nicht so wie zum Beispiel seine Familienangehörigen und Mitarbeiter in einem bereits vorhandenen Anhänger. Er investiert über 30 000 Euro in einen Spezialanhänger mit allen erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen, der dazu noch unter Benutzung eines Busführerscheins von einem völlig überdimensionierten Allradschlepper gezogen wird. Doch laut Kreisverwaltung soll nun plötzlich von diesem sowohl vom Tüv als auch von ihr selbst genehmigten "Luxusanhänger mit Warnlicht" eine Gefahr für die Verkehrssicherheit ausgehen. Trotz "allgemein festzustellender Rechtsunsicherheit bezüglich der Planwagenfahrten" (Schreiben der Kreisverwaltung), wird der bei einer Wochenendfahrt ertappte Winzer mit einem Bußgeld von 275,50 Euro und einem Punkt in Flensburg belegt. Hat der eifrige Mitarbeiter der Kreisverwaltung sich Gedanken gemacht über möglichen Vertrauensschutz, über Arbeitsstunden und Kosten, die sich aus diesem vermeintlichen "Bürokratiedefizit" und den folgenden Rechtsstreitigkeiten ergeben und die wir alle zahlen müssen? Wahrscheinlich passt dieser "sanfte Tourismus" aber auch nicht mehr in unsere moderne Zeit, wenn zum Beispiel der langsam fahrende Planwagen einen Flugreisenden auf dem Weg zum Hahn zu lange aufhält, so dass er schlimmstenfalls seinen 10 Euro Flug zum Shoppen nach London verpasst. Freuen können sich auch die in immer größerer Zahl anreisenden Motorradgruppen, die an den Wochenenden die Eifel- und Hunsrückstraßen unsicher machen und teilweise dann auch noch zu Privatrennen missbrauchen. Sie bleiben in Zukunft unbehelligt, denn die Ordnungsbehörden sind ja laut Empfehlung der Kreisverwaltung mit der dringend notwendigen Beaufsichtigung unserer heimischen "Planwagenrowdys" beschäftigt, die mit 28 Stundenkilometern durch die Weinberge zuckeln. "Kontrollieren und anzeigen". So geht es aufwärts in Deutschland! Hans Peter Schneider, Wittlich

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