Leben aus der Kraft der Vision

Am Sonntag endet das Kirchenjahr mit dem Hochfest Christkönig, mit dem die katholischen Christen ihre Hoffnung ausdrücken, dass Jesus Christus der König des Lebens über den Tod ist. Diese Hoffnung wird hineingesprochen in unsere Erfahrung und Wirklichkeit - in die dunkle Jahreszeit, den Wachstumsstillstand der Pflanzen, das veränderte Lebensgefühl der Menschen, die vielleicht auch innere Einkehr des Totengedenkens im Monat November.Es ist eine Hoffnung, eine Utopie, die uns mit den vergangener Generationen verbindet über eine jahrtausendelange Wegstrecke jüdisch-christlichen Hoffnungsglaubens an den Gott des Lebens.

Utopien haben ihren Ort in der Religion und in der Kunst. Eine Utopie stellt man sich vor, sie ist nicht real.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Utopien, die man versucht hat, wirklich werden zu lassen, immer im totalitären Ausschluss endeten. Ein Beispiel dafür ist das Nazi-Regime mit seiner Utopie vom arischen Menschen im Tausendjährigen Reich. Am 9. November gedachten wir des vor 71 Jahren von den Nazis begangenen Unrechts an den Juden in der Reichs-Pogrom-Nacht und der jahrelangen Vernichtung von sechs Millionen Juden im Dritten Reich.

Eine andere Utopie war die sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung, die mit Stasi-Bespitzelung, Gefängnisaufenthalten für politische Gegner, Mauerbau und Todesschüssen an der Mauer endete. Ebenfalls am 9. November gedachten wir des Mauerfalls vor 20 Jahren.

Das Kennzeichen von Utopien ist, dass sie nicht realisiert werden. Eine Utopie ist der Möglichkeitssinn im Gegensatz zum Wirklichkeitssinn. In einer Utopie wird der Gedanke wachgehalten, dass es auch anders sein könnte. Genau das macht die Kraft der Utopie aus! Menschen sind zur Veränderung bereit, weil sie aus der Kraft der Utopie heraus leben und handeln. Leben aus der Kraft der Utopie, biblisch gesprochen aus der Kraft der Vision, aus dem, was möglich sein könnte, ist das Kennzeichen christlichen Glaubens. Die Vision vom Gott des Lebens, der die Menschen aus dem Tod erlöst, gibt Christen die Kraft zu leben und zu handeln.

Christiane Friedrich, Pastoralreferentin im Dekanat Wittlich

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