Nicht aufgeben

"Wirdürfen nicht damit rechnen, dass Gott mit einem atemberaubendenWunder das Böse aus der Welt vertreiben wird. Solange wir dasglauben, können unsere Gebete nicht erhört werden, denn wirwerden Gott um Dinge bitten, die er niemals tun wird. Gott wirdnicht alles für den Menschen tun, und der Mensch kann nicht allesallein tun. Wir müssen erkennen, dass es Aberglaube ist, wenn wirannehmen, Gott würde handeln, wenn wir müßig bleiben." Diese Sätze stammen von Martin Luther King. Sie helfen mir, die Welt nüchtern so zu sehen, wie sie ist. Sie erinnern mich daran, dass Menschen Böses und Gutes tun und dass jede Handlung immer wieder überprüft werden muss, ob sie böse oder gut ist. Sie erinnern mich weiter daran, dass auch Gott in unserem Alltag handelt und dass sein Tun und unser Tun unentwirrbar miteinander vermischt sind.

Weil die Grenze zwischen Gottes Werk und unserem Werk so fließend ist und die Grenze zwischen gut und böse durch uns selbst hindurchgeht und nicht auf dem Stadtplan (in diesem Stadtteil oder hinter diesen Mauern wohnen die Bösen) und nicht auf einer Landkarte (diese Länder sind die Bösen) aufgezeichnet werden kann, ist das Leben so kompliziert und schwierig und fordert uns heraus, immer wieder klare Entscheidungen zu treffen, aber auch Kompromisse zu suchen und zu finden. Bei unterschiedlichen Meinungen steht eben nicht so eindeutig fest, ob Gott sich mehr auf die eine oder die andere Seite stellen wird.

Wenn man sich daran erinnert, schützt es einen aber davor über das komplizierte Leben zu jammern und zu sagen: Dann mach ich eben überhaupt nichts mehr.

Ich denke an das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg : Gott (der Weinbergsbesitzer) ruft uns die Ernte der reifen Trauben, die er hat wachsen lassen, einzuholen und belohnt die Arbeiter viel großzügiger als es nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten hätte sein müssen. So werden auch die Späteinsteiger (die zur 6., 9. und 11. Tagesstunde anfingen) mit der vollen Güte Gottes beschenkt. Dies empfinde ich als einen Aufruf an uns älter gewordene Menschen: Gott gibt die so verwirrend wirkende Welt nicht auf und möchte, dass wir bis ans Ende unserer Tage ebenso fühlen und uns von ihm einstellen lassen, mit daran zu arbeiten, dass die Güte in dieser so geschundenen Welt nicht verloren geht.

Ulrich Katzenberger, Wittlich

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