OSTERN

MUSWEILER. Ohne Hühner hätte es der Osterhase schwer. Damit das traditionelle Osterei heute die Kinder erfreut und die Häuser schmückt, braucht das sonderbare Tier weitere Eingeweihte: Eine davon ist Otti Zens aus Musweiler.

Sie ging mit ihren Cousins und Cousinen über eine Wiese hinauf zur Kirche. Die Brüder ihres Vaters schlenderten voran und sagten: "Geht ganz langsam und haltet die Augen offen." Und die Kinder jauchzten vor Freude über die bunten Eier, die sie im hohen Gras fanden. "Diesen Osterspaziergang in Polen habe ich nie vergessen", sagt Otti Zens. In ihrer zweiten Heimat Deutschland trifft sie Jahrzehnte später einen krebskranken Pfarrer, der Straußeneier mit Ikonen bemalt. Als es ihm sehr schlecht ging, übergab er alles an Otti Zens und sagte: "Machen Sie jetzt weiter damit." "So wurde das geboren", erinnert sich die Musweilerin zurück, die inmitten hunderter bemalter Eier steht. Alle hat sie mit selbst gemachter Pfanzenfarbe gefärbt: "Kornblume, Enzian, Männertreu, Eisenhut färben blau, Zwiebelschale braun. Ich sammle den ganzen Sommer Farbstoffe." Diese natürliche Methode liegt ihr besonders am Herzen. Abduschbare Plastikdekoration käme ihr nie ins Haus. Überhaupt tut sie sich mit dem Oster-Kommerz schwer: "Das ist ja entsetzlich. Die Ostersachen sind ja vor Karneval in den Geschäften erhältlich." In ihrem Geburtsland sei die Tradition noch stärker am Leben. "Da ist Ostern wichtiger als Weihnachten. Es wird jedes Stückchen Butter in Holzmodeln zum Osterlamm geformt. An Palmsonntag kann die Familie alles aufstellen, was an den Osterfeiertagen gegessen wird. Alles wird gesegnet. Allerdings wird dort nicht Buchsbaum als Palmsonntagsgrün sondern Weidengrün gesegnet." Während sie erzählt, nimmt in ihrer Küche ein Perückenhuhn mit seiner Federfrisur gelassen Platz auf einem Korb voller ausgeblasener Eier, die noch geschmückt werden sollen. Das Hühnchen auf Hausbesuch lebt inmitten von 33 Hühnern, sechs Hähnen, fünf Gänsen, zwei Perlhühnern und drei französischen Enten auf dem großen Grundstück der Frau, die Eier aller Tiere und Größen sammelt: Straußen-, Nandu, Emu-, Schwanen-, Gänse-, Pfauen-, Puten-, Enten-, Hühner-, Fasanen-, Tauben-, Amsel-, Wachtel- und Zaunkönigeier. Und wer ein großes Herz fürs Federvieh hat, geht auch mit dessen Gelege sorgsam um. "Ich schlage kein Ei auf. Sie werden alle ausgeblasen", sagt Otti Zens. Das macht 600 Stück im Jahr. Bei den großen Gänseeiern braucht man viel Luft: "Das schafft fast niemand auf Anhieb, da wird manchem ganz schön schummrig dabei." Entweder wird der Inhalt direkt gekocht, gebacken, eingefroren oder verschenkt. Gerade ruft eine beschenkte Freundin an. "Es sind vier Gänseeier im Becher. Rechne eins wie zweieinhalb Hühnereier", rät die Fachfrau und meint anschließend: "Gänseeier waren früher eine Rarität, die schmecken besser und sind gut fürs Waffel- und Kuchenbacken. Die alten Bauersleute schätzen das und sind glücklich damit." Glücklich scheint auch das Federvieh der heute 62-Jährigen zu sein - keines kommt in kulinarischer Form in ihre Küche. 13 Jahre wurden beispielsweise Ente Felix und Gans Emila, deren Foto auf einer Bilderwand hängt. Auch die Hähne sind froh. "Ohne ihr Kikeriki wäre ich unglücklich. Und jeder hat sein Lieblingshuhn. Sobald es ein Ei gelegt hat, stimmt der befreundete Hahn in das Muttergegackere ein", hat Otti Zens beobachtet. Und noch ein Geräusch verbindet die Musweilerin mit Ostern: das Klappern in der Karwoche: "Mein Mann hat mir gesagt, dass ihm nichts wichtiger gewesen sei, als das Klappern. Für kein Geld der Welt hätte man ihn in der Klapperzeit weg locken können. Was die Kinder singen, ist mit das Einzige, was ich auf Platt kann: Dia Leit steht upp, dia Leit steht upp, suhs as dähn Herrgott fia eich upp."

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